EU-Ausschuss segnet Kompromiss zur TK-Vorratsdatenspeicherung ab

Standort- und Telefonverbindungsdaten sowie IP-Adressen beim Internet-Zugang sollen gemäß der Empfehlung der Bürgerrechts- und Innenpolitiker künftig zwischen sechs und zwölf Monate lang archiviert werden.

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Der federführende Ausschuss für Bürgerrechte, Justiz und Inneres des EU-Parlaments hat sich am heutigen Donnerstag für zahlreiche Änderungen an der heftig umstrittenen EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten stark gemacht. Laut dem mit großer Mehrheit verabschiedeten Votum der Fachpolitiker, das als Empfehlung für eine voraussichtlich schon im Dezember stattfindende 1. Lesung des Gesetzesvorschlags im Plenum gilt, sollen die Standort- und Telefonverbindungsdaten sowie die IP-Adressen beim Internet-Zugang künftig zwischen sechs und zwölf Monate lang archiviert werden. Angaben zum E-Mail-Verkehr oder zu MAC-Adressen von PC-Netzwerkkarten müssten nicht gespeichert werden, wenn die vom Ausschuss beschlossenen Korrekturen angenommen werden.

Bei den Überwachungsplänen in Brüssel, die vom EU-Rat und der EU-Kommission mit Nachdruck vorangetrieben werden, geht es prinzipiell um die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, SMS, E-Mailen, Surfen oder Filesharing anfallen. Mit Hilfe der Datenberge sollen Profile vom Kommunikationsverhalten und von den Bewegungen Verdächtiger erstellt werden. Telefondaten will die Kommission zwölf, Internetdaten sechs Monate aufbewahrt wissen. Von der pauschalen Maßnahme zur Aufzeichnung der elektronischen Nutzerspuren wären alle 450 Millionen EU-Bürger betroffen.

Die Ausschussmitglieder folgten mit ihrem Votum einer Kompromisslinie, welche die Berichterstatter für die Richtlinie im Vorfeld ausgehandelt und mit den Fraktionsvorsitzenden besprochen hatten. "Wir haben die Vorratsdatenspeicherung entschärft", begrüßt nun der zuständige Parlamentskoordinator Alexander Alvaro die vorläufige Bestätigung der Einigung. Eine "allumfassende Datenspeicherung" sei zunächst abgewendet worden. Mit seinen ursprünglichen, deutlich weiter gegen die Pauschalüberwachung Position beziehenden Änderungsanträgen konnte sich der FDP-Politiker aber nicht durchsetzen. Angesichts der aus seinen Augen "nicht idealen Lösung" verweist er auf den "gewaltigen Druck", den die britische Ratspräsidentschaft auf die Abgeordneten ausgeübt habe. Mit dem Kompromiss sei man den Ministern "einen enormen Schritt weit" entgegengekommen.

Datenschützer haben die Absprachen als "verhängnisvollen Dammbruch" in der Telekommunikationsüberwachung und "massivste Grundrechtseinschränkung" abgelehnt. Ihrer Ansicht nach würde sich bei der Verabschiedung des Gesetzesentwurfs auch in der überarbeiteten Form hierzulande die Frage seiner Vereinbarkeit mit der Verfassung stellen. Auch die ITK-Branche, die einen Vertrauensverlust der Nutzer in die Telekommunikation fürchtet, hat ihre prinzipiellen Einwände gegen die Maßnahme aufrecht gehalten. Allein die Entertainment-Industrie fordert Verschärfungen im Sinne einer Nutzung der anzuhäufenden Datenberge für die Bekämpfung der "Piraterie".

Den Abgeordneten zufolge sollen Sicherheitsbehörden nur bei schweren Verbrechen wie Terrorismus, organisierte Kriminalität, Kreditkartenbetrug oder Kinderpornographie Zugriff auf die Informationshalden nehmen dürfen. Der vorgeschlagene Straftatenkatalog orientiert sich an den Regelungen zum Europäischen Haftbefehl. Standortdaten im Mobilfunk sollen am Anfang eines Gesprächs, nicht wie von der Kommission vorgesehen auch an dessen Ende von den Anbietern gespeichert werden. Bei der umkämpften Frage der Aufzeichnung auch erfolgloser Anrufversuche wollen die Abgeordneten den Mitgliedsstaaten freie Hand lassen. Sie drängen auf eine klare Regelung zur Erstattung zusätzlicher Kosten und Investitionen als Entschädigung für die Wirtschaft und wollen die Sicherheitsbehörden zum Führen umfangreicher Statistiken zur Nutzung ihrer potenziellen neuen Befugnisse verpflichten. Hierzulande regt sich gegen solche Formulierungen aber gerade bei den Ländern heftiger Widerstand.

Am gestrigen Mittwoch hatte der mitberatende Industrieausschuss bereits seine Empfehlung beschlossen, obwohl vielen Parlamentariern die Änderungsanträge noch nicht einmal in ihren Landessprachen vorliegen. Den Wirtschaftspolitikern zufolge sollen Angaben zu Telefonverbindungen sechs, Internetdaten drei Monate vorgehalten werden. Die Berichterstatterin des Ausschusses, die CDU-Politikerin Angelika Niebler, konnte sich demnach mit ihrer Vorlage nur teilweise durchsetzen. Sie hatte angeregt, die Fristen zur Vorhaltung der begehrten Verbindungs- und Standortdaten generell auf drei Monate zu verkürzen.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen, siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)