CFP: US-Teenager und Datenschutz im Zeitalter der Alarmstufe 1

Wie es die junge Generation in den USA mit der Privatsphäre, dem Patriot Act, der Überwachung am Mobiltelefon, Instant Messaging, Internet-Filtern, RFID, Weblogs und Filesharing hält.

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Bei der Konferenz Computers, Freedom & Privacy (CFP) dreht sich normalerweise alles um den Schlagabtausch zwischen Bürgerrechtlern, Krypto- und Sicherheitsexperten oder Hackern mit mutigen Regierungsvertretern und Anwälten. Als umso erfrischender wurde von vielen alten CFP-Hasen daher ein Panel empfunden zum Thema "Die nächste Generation: Was Teens von Computer, Freiheit und Datenschutz halten". Fünf Schüler aus Seattle, wo das Stelldichein der Freiheitskämpfer dieses Jahr stattfand, stellten sich den Fragen der abgeklärten Privacy-Advokaten. Der Schutz der Privatsphäre kommt demnach bei den Youngstern vor allem ins Spiel, wenn Eltern und Lehrer zu neugierig sind und an der Kontrollleine ziehen. Aber auch beim Patriot Act, dem nach dem 11. September in den USA verabschiedeten, tief in die Bürgerrechte einschneidenden Anti-Terrorgesetzespaket, wird ihnen unwohl. Internet-Filter und RFID-Überwachung an Schulen finden sie einfach nur blöd.

"Wir leben in einem Zeitalter der Alarmstufe 1", umschrieb Max Cho, Jüngster im Bunde, die allgemeine Gefühlslage nach den Anschlägen von 2001. Es gebe aber auch Widerstandsbewegungen dagegen, alles zu glauben, was etwa an bunten Terrorwarnungen der Regierung immer wieder über den Bildschirm flimmere. "Es war grauenhaft und wir mussten etwas tun", ergänzt Morgan Redfield, der in seiner Schule die Schülerzeitung mit herausgibt. "Aber die meisten denken: Wir haben nicht das Richtige getan." "Ich bin immer noch verwirrt, wenn ich das Wort Irak nur höre", betätigte auch Elizabeth Forsyth die Skepsis gegenüber dem "Krieg gegen den Terror". Die dunkle Wolke, unter der das Land lebe, "darf unsere Entscheidungen nicht kontrollieren". "Vielen erscheint der Patriot Act als zu gefährlich für unsere Bürgerrechte", erklärte auch der fast schon volljährige Steven Nyikos. "Doch die meisten Leute wissen gar nicht, was ihre Rechte überhaupt sind", zeigte sich Cathy Zang skeptisch.

Was die Möglichkeiten der Verfolgbarkeit von Menschen durch neue Technologien oder das mehr oder weniger freiwillige Preisgeben persönlicher Informationen im Internet angeht, zeigte sich das Feld gespalten. Als eine "schreckliche Idee" kanzelte Morgan das Vordringen der so genannten Location-based Services im Mobilfunkbereich ab, dank denen Anbieter Handybesitzern beispielsweise auf deren Position zugeschnittene Verkaufsangebote machen können. Er finde es unausstehlich, wenn ein Unternehmen immer wüsste, wo er sich gerade aufhalte. Der Jungjournalist hat überhaupt kein Handy. Er würde es als "Leine" empfinden, weil ihn dann seine Eltern ständig anrufen könnten. Die beiden Mädchen waren sich dagegen einig, dass ihr Mobiltelefon eher als Beruhigungspille für die Eltern funktioniere und ihnen daher letztlich mehr Freiheit gewähre. Ein wenig beneidet aber auch Morgan Handybesitzer in seiner Klasse, da die sich in Prüfungen immer heimlich Antworten zusenden würden.

Ohne Instant Messaging (IM) läuft bei den Jugendlichen kaum noch etwas. Morgan gestand offen ein, dass er "erst gestern" die Dame seines Herzens im Chat gefragt habe, ob sie mit ihm gehen wolle. Dass viele IM-Clients standardmäßig die gesamte Kommunikation protokollieren, stört die eifrigen Chatter nicht. Vielmehr nutzen sie diese Funktion teilweise bewusst, um ihre Freunde beizeiten an deren frühere Ansichten zu erinnern. Nur Elizabeth "langweilt" IM inzwischen. Ihr Papa, gab sie später zu, habe sie vor Viren gewarnt, die darüber verbreitet werden könnten.

Beim Bloggen sind sich die Heranwachsenden zwar teilweise bewusst, dass sie eher zu viele Details über ihr Leben öffentlich preisgeben als zu wenige. Es gehe beim Betreiben eigener Webjournale aber eben "um die Übertragung deiner Emotionen", befand Steven. "Wenn einen etwas stört, schreibt man es da rein", assistierte ihm Morgan. "Jeder in der Welt weiß jetzt, dass ich diesen Kerl in der Englischklasse hasse", beschrieb auch Max die Ventilfunktion seines Weblogs. Als besonders hilfreich empfinden es die Schüler zudem, dass sie in Blogs offen ihre Lehrer beurteilen können. "Das ist ein öffentlicher Beruf, und der sollte auch offen diskutiert werden dürfen", wischte Morgan Bedenken über das Eingreifen in deren Persönlichkeitsrechte weg.

Beim Filesharing sind die Jugendlichen dagegen vorsichtiger geworden. Das Downloaden von Songs, Filmen und TV-Mitschnitten sei zwar nach wie vor "sehr populär", gestand Elizabeth. Sie wolle doch keine 15 US-Dollar mehr für eine CD ausgeben. Gängige Filesharing-Software wie Kazaa sind aber out und "man spricht auch kaum noch darüber wegen der Klagen" der Entertainment-Industrie, verriet Max. "Die Leute nutzen jetzt Sachen, die klüger sind." Man verwende etwa Apples Rendezvous zur direkten Zusammenschaltung von Rechnern oder suche nach konkreten Dateien mit Bittorrent.

Der um sich greifende Einsatz von Filtersoftware an Schulen empört die Teenager dagegen mächtig. Pornoseiten finde man zwar trotzdem noch in Massen, ärgerte sich Morgan. Dafür würden aber auch für die Schule nützliche Applikationen wie IM, Blogs oder Nachrichtenforum blockiert. "Wenn man um eine Sperre herum kommen will, geht das zwar", konstatierte auch Max. "Aber dann wird man plötzlich irgendwo gestoppt, wo man eigentlich gerade dran arbeiten möchte." Eher als interessantes Spielfeld betrachteten die Schüler dagegen die eventuelle Ergänzung ihrer Outfits mit RFID-Chips zur Kontrolle ihrer Aufenthaltsorte. "Das Ding würde ich gleich auf der Toilette verstecken und dann die Schule schwänzen", unkte Steven.

Zur Konferenz Computers, Freedom & Privacy siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)