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Was war. Was wird. (Vierter Teil des Sommerrätsels)

Mit dem letzten Teil des Sommerrätsels heißt es Abschied von einem Sommer zu nehmen, der ganz ohne große Sommerlöcher ausgekommen ist. Derweil schlägt sich Hal Faber mit Wörtern herum, die eigentlich verboten gehören.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Reden wir weiter vom Journalismus, dem Schönsten aller Berufe, über den es viele Witze gibt, die die große Beliebtheit unserer Zunft zeigen. Ich lerne wöchentlich nicht nur neue Wörter, sondern auch neue Sachen kennen: nehmen wir nur den schottischen Gel-Büstenhalter. Den kannte ich noch nicht, allen Satansweibern von Tittfield zum Trotz. So ein Möpse-Simulator soll nach Meinung der Experten, die absolut nicht vernünftig erklären können, wie man im Flugzeug bei 0 bis -5 Grad (PDF-Datei) eine ordentliche Menge TATP herstellen kann, ein richtiger Knaller sein. Billige Witze über die Arbeit der Kontrolleure und Kontrolleusen schenke ich mir, sind wir doch auf einer seriösen IT-Website, inmitten der norddeutschen Tiefebene. Die zum Unmut mancher Leser sich nicht auf neue Treiber und BIOS-Versionen beschränkt, sondern laufend darüber berichtet, wie Anti-Terror-Dateien und weitere verfassungswidrige Vernetzungen gezimmert werden in einer Welt, in der Datenschutz nur noch als lästiges Relikt überkommener sozialer Marktwirtschaft gilt. In der sich Politiker laufend darüber beklagen, wie unbeschätzt und unüberwacht das Land zu ihren Füßen liegt. In der jeder Fahndungserfolg zum Hilfeschrei wird, noch mehr Technik einzusetzen. So wird aus der bunten Welt eine schwarzweiße Welt, von der dann Schwarzbücher berichten. Dass Gel-Büstenhalter in Zukunft nur noch mit RFID-Chips verkauft werden dürfen, die das Gel als solches an der Grenze identifizieren, zeigt bald, wie spannend IT-Technik im Alltag sein kann.

*** Mit dem letzten Teil des Sommerrätsels heißt es Abschied von einem Sommer zu nehmen, der ganz ohne große Sommerlöcher ausgekommen ist. Ein einmaliges Zusammentreffen von einem Grillfest, einem Terroralarm und einem aufmuckenden Mailserver verhinderte vorige Woche, dass Rätselbilder in den Text kamen. Anders als bei der bündigsten Wissenrepäsentation gibt es hier keine Preise zu gewinnen. Dafür sind die fünf Fragen schwerer als die nach der Zahl 42, geht es diesmal doch um die Wetware, den Menschen, den großen Unbekannten. Schon Jubi-Brecht fragte sich, wer das siebentorige Theben erbaute.

*** Frage 1: Im Bild ein einflussreicher Programmierer. Er setzte einen Standard in einem kurzen, tragisch endenden Leben. Um wen handelt es sich und was war der Standard?

*** In Deutschland grassiert eine seltsame Debatte über die Waffen-SS, angezettelt von einem alten Zausel, dem beim Grübeln über seinen Rentenbescheid Unstimmigkeiten aufgefallen sind. Die Debatte ist deutsch-gründlich und fordert von jedem einen Datumsstempel der Generationszugehörigkeit, damit man die Sorte von Flakhelfern unterscheiden kann. Der Ursprung der Debatte ist ein Interview, in dem der ehemalige Waffen-SSler Grass über den Arbeitslager-Insassen, den Juden Paul Celan so urteilt: "Aber meistens war er ganz in seine eigene Arbeit vertieft und von seinen realen und auch übersteigerten Ängsten gefangen." Übersteigerte Ängste, soso. Nun meldet sich der alte Zausel mit der Angst, dass er in Deutschland zur Unperson gemacht würde, vielleicht sogar komplett mit Unhaus und Unsonderdruckbeilage. Tja. Beim Häuten der Zweibel denke ich lieber an das Fleisch, das ich mit der Zwiebel in die Pfanne haue. Ich gehöre einer Generation an, die genug Häutungen erlebt hat, inklusive einem Günter Grass, der mit der Formel "mehr Demokratie wagen" die gute deutsche Tradition der Berufsverbote verteidigte und das Methusalem-Kompott belustigt betrachtet.

*** Frage 2: Das zugegeben suboptimale Bild zeigt einen jungen jüdischen Fan der Waffen-SS. Es musste viel weggeschnitten werden, denn Hakenkreuze und SS-Standarten haben hier nichts zu suchen. Wer ist der Mann? Er sorgte übrigens in dieser Woche für kuriose Schlagzeilen.

*** Der Journalismus hat auch seine Schattenseiten. Man lernt nicht nur neue Wörter und gelbasierte Dinge kennen, sondern muss sich auch mit Wörtern herumschlagen, die eigentlich verboten sein müssten. So liest man den ausgemachten Unsinn von der Unperson, die nun einen "hochspannenden" "Gesprächsmarathon" absolviert, weil eine Frage "hochkochte", die ein "Paradebeispiel" für den Umgang mit dem "deutschen Sonderweg" abgibt, liest von Lübecker Häusern, bei denen sich die Medien "die Klinke in die Hand geben" und "schlussendlich" bleibt ein "schaler Beigeschmack" übrig, wenn die deutsche Sprache restlos plattgetreten ist. Es gibt auch in der IT einfach Wörter, die darf man nicht ungestraft benutzen, von der Softwareschmiede bis zum Urgestein. Die schlimmsten IT-Wörter wie "best-of-breed" und "mission critical" bleiben dabei unübersetzt, jedenfalls ist mir noch kein brutbestes Betriebssystem untergekommen. Nun will Google das gugeln unterbinden lassen. Wir sollen lieber, frei nach Gullivers Reisen, yahooen oder auf Houyhnhnhnmisch suchen. Fein, ganz fein sind da die Unterschiede. Während Duden.de am Anfang der Woche für Googlen noch die Erklärung "Internetrecherchen mithilfe einer Suchmaschine durchführen" präsentierte, heißt es heute zu Googlen "Internetrecherchen mithilfe der Suchmaschine Google ... ", während der neueste gedruckte Duden "mit Google im Internet suchen" vorschlägt. Bleibt abzuwarten, wann das Bloggen, Flickrn und das Sabbrn anwaltlich kontrolliert wird. Heisen tut ja niemand.

*** Frage 3: Jeder kennt Erika Mustermann oder Alice und Bob, das Liebespaar der Kryptografie. Wie wird der typische Familenvater in der IT genannt?

*** Der Mensch ist, ich schrieb es in früheren Instanzen dieser Wochenschau, ganz nah am Affen. Mit ihm gemeinsam hat er den Glauben, dass Bilder nicht lügen können, jedenfalls solange sie nicht in der großen deutschen Boulevardzeitung stehen oder in Kriegsgebieten aufgenommen worden sind. Der Mensch glaubt auch an offizielle Stellungnahmen der Regierung, jedenfalls solange nicht zwei unterschiedliche Versionen kursieren. So gesehen ist das Treffen der Terrorbekämpfer in dieser Woche in London ganz aufschlussreich gewesen, weil es mehrere PR-Mitteilungen gebar. Ein diff der beiden Mitteilungen, das der Chaos Computer Club veröffentlichte, ist da ganz aufschlussreich im Umgang mit der Sprache. Auszugshalber sei hier dokumentiert, wie ein problematisches "müssen wir akzeptieren" verschwindet (-) und durch einen anderen Text (+) ersetzt wird:

Wir dürfen nicht zulassen, dass Terroristen die Werte und Rechte jedes Einzelnen, die unsere Gesellschaften verbinden, untergraben. Doch der Schutz unserer Bürger ist unsere oberste Pflicht und angesichts der Gefahr von Massenmorden
-müssen wir akzeptieren, dass die Rechte, die der Einzelne
-genießt, mit dem gemeinsamen Recht auf Sicherheit, das -unsere Bürger verlangen, in Einklang gebracht werden müssen.
+müssen die Rechte, die der Einzelne genießt, mit dem
+gemeinsamen Recht auf Sicherheit, das unsere Bürger
+verlangen, in Einklang gebracht werden.

An dieser Stelle übergehe ich die Vorwürfe, dass es sich bei einem Text um eine unautorisierte Vorab-Version handelt, die durch einen Hack auf der Webseite des Innenministeriums erschlichen worden sei. Schließlich wurden beide Texte auch per Mail verschickt.

*** Aber es reicht zur Frage Nummer 4: Wer ist dieser Mann und was hat er mit dem Hackervorwurf zu tun?

Was wird.

Der Sommer geht also zu Ende. Mit ihm schwindet auch die einzige echte Sommerlochdiskussion des Jahres, die um die PKW-Mautvignette für Autofahrer zum Nutzen und Frommen bayerischer Bürger, die Opfer einer bösen Räuberei namens Tanktourismus geworden sind. Schon die zündende Idee der bayerischen SPD, das Mautsystem von Toll Collect auf alle bayerischen Bundesstraßen auszudehnen, fand kaum noch ein anständiges Echo. Dabei hat es was, das Thema – wenn man es geschickt mit der Mautdatenfahndung verknüpft. Ein Überwachungsnetz über ganz Bayern, dazu Mehreinnahmen für ganz Bayern, und schon strahlt es blau und weiß und kleinkariert. Solcherarts ist doch ein brennendes Thema glänzend erledigt. Nun warten mir nur noch auf eine Rede Stoibers, wie der Bahnhof mit einem brennenden Transrapid an die Städte wächst: "Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten ohne daß Sie am Flughafen noch einchecken müssen dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen am am Hauptbahnhof in München starten Sie ihren Flug zehn Minuten schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an wenn Sie in Heathrow in London..." Und das mit Heathrow ist bekanntlich ganz anders, da beginnt der Kampf gegen die Gel-Büstenhalter.

Üblicherweise verweist "was wird" auf Termine in den nächsten Wochen. Heute gibt es eine Ausnahme. Denn am 11. Juli 1997 präsentierte die damals noch nicht dem Rockmusiker Bono gehörende Zeitschrift "Fortune" der staunenden Welt den "One digital Day". Mit finanzieller Unterstützung von Microsoft, das damals mitten in den US-amerikanischen Antitrust-Verhandlungen vor Gericht ein neues Image suchte, dokumentierten 178 Fotografen, was die ganze Welt an einem Tag mit Computern macht. Mit Erstaunen registrierten US-Amerikaner, wo es alles Computer gibt. Den Fotografen-Preis zu diesem Unternehmen gewannen Lori Grinker und Cindy Burnham, die eine Webcam-Unterhaltung eines in Bosnien stationierten US-Soldaten mit seiner gerade geborenen Tochter inszenierten. Auf das Ereignis will am 22. September der One Web Day antworten, der gegen alle Bestrebungen gerichtet ist, das Internet zu besteuern, zu regulieren oder als Feindesland für Terroristen zu deklarieren. Der One Web Day wurde von Larry Lessig ins Leben gerufen und findet kurz nach meiner Lieblingskonferenz, der Versammlung der Wizards of OS statt. Auf dieser Konferenz hat Lessig so manche perfekte Demonstration über die allseitige Verquickung einer vernetzten Welt aus seinen Powerbooks und iBooks herausgehauen.

Frage 5: Doch wer steht auf und zieht die Konsequenzen, wenn die allseitige Vernetzung nicht nur Friede, Freude und Pfannkuchen gebiert? Sondern Ungeheuer und verbrannte Gerichte. Wer ist dieser Mann? (Das Kleinformat hat urheberrechtliche Gründe.) Alternativ: Pfannkuchen-Rezepte. (Hal Faber) / (anw)