Tanzt der Linux-Kernel auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig?

Sam Greenblatt von Computer Associates hat sich in die Diskussion um die Weiterentwicklung von Linux eingemischt. Die Entwickler sollen seiner Ansicht nach lieber auf neue Funktionen verzichten und mehr Wert auf Stabilität legen.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

In das ewige hin und her um die Strategien zur Weiterentwicklung des Linux-Kernels hat sich nun Sam Greenblatt, Senior Vice President von Computer Associates (CA), eingemischt: Der Kernel werde immer umfangreicher und decke mit für Desktops interessanten Treibern und Funktionen immer mehr Bereiche ab, die für den US-Softwarehersteller nicht von Interesse sind. Computer Associates sei vielmehr an einem wirklich stabilen Kernel interessiert, sagte Greenblatt laut einem Bericht von eWeek.

Neu ist diese Kritik nicht, immer wieder fachen namhafte und weniger namhafte Größen aus dem Computer-Bereich diese Diskussion wieder an. Insbesondere seit der Freigabe des Kernel 2.6 gibt es immer wieder Beschwerden, dass hier zu schnell zu viele neue Funktionen eingebaut würden. Auf diese Kritik hat die Open-Source-Gemeinde nach einer längeren Diskussion reagiert und eine neue Kernel-Serie eingeführt. Viele Entwickler sehen es jedoch als Aufgabe der Linux-Distributoren an, dem Kernel für ihre Produkte den endgültigen Schliff zu geben.

Angesichts des Erfolgs von Linux in so unterschiedlichen Bereichen wie Embedded Systems, Desktop-Rechnern und Highend-Servern scheint diese Kritik im ersten Moment haltlos. Bei genauerer Betrachtung des Linux-Entwicklerprozesses zeigen sich jedoch gelegentlich tatsächlich Reibereien zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen. Die weitgehende Modularisierung des Kernels, die je nach Zielsystem die Einbindung von unterschiedlichen Fähigkeiten ermöglicht, scheint jedoch bisher alle Beteiligten zufrieden zu stellen: Der Linux-Kernel von Linus Torvalds und seinen engsten Mitstreitern gilt immer noch als das Maß der Dinge. Es gibt zwar eine Reihe separater Entwicklungslinien, Bedeutung haben sie jedoch kaum erlangt. Die meisten Entwickler versuchen ihren Code in den Standard-Kernel zu integrieren, um sich die Verwaltung einer eigenen Entwicklungslinie zu ersparen und eine weite Verbreitung zu erlangen.

Auch Andrew Morton, zusammen mit Torvalds Verwalter der Kernel-Serie 2.6.x, hat in dem Bericht zu der Kritik von Greenblatt Stellung bezogen. Die meisten neuen Funktionen, die im Kernel in letzter Zeit aufgenommen wurden, seien optional. Die Geschwindigkeit, mit der neue Funktionen integriert werden, will er beibehalten; einen Kernel 2.7 solle es auf absehbare Zeit nicht geben. Unter anderem will Morton die Virtualisierungslösung Xen bald in Linux aufnehmen -- an ihr hatte Greenblatt auch Kritik geäußert. Auch weitere Techniken für den Betrieb von Clustern würde Morton gerne hinzufügen, wenn die unterschiedlichen Entwicklerteams sich auf ein Basisgerüst einigen, den Quellcode für den Kernel aufbereiten und zur Integration übermitteln. Das für diesen Bereich wichtige Infiniband wurde bereits in den Kernel 2.6.11 aufgenommen und bei der in Entwicklung befindlichen Version 2.6.12 weiter verbessert.

Dessen Entwicklung ist jedoch nach der Verbannung von Bitkeeper für die Linux-Quellcode-Verwaltung anscheinend etwas ins Stocken geraten. In die Streitereien um Bitkeeper hat sich unterdessen auch Bruce Perens über den britischen IT-Newsdienst The Register eingemischt. Torvalds hatte den Samba-Schöpfer Andrew Tridgell wegen seines Vorgehens bei der Entwicklung eines freien Bitkeeper-Clients scharf kritisiert. Perens meinte nun, Torvalds solle sich beruhigen. Tridgell selbst schweigt sich zu dem Thema weiterhin aus. Dafür macht der bekannte Kernel-Entwickler Greg Kroah-Hartman in seinem Blog Andeutungen zu den Hintergründen der ganzen Sache, die seiner Ansicht nach leicht verhindert hätte werden können -- Details will er jedoch nur bei einem Bier verraten. (thl)