EU-Staaten streben grundrechtsschonende Vorratsdatenspeicherung an

Deutschland fahre gut, wenn es die Neufassung des gesetzlichen Rahmens verschleppe, meint der Jurist Sebastian Schweda vom BMBF-Projekt INVODAS, das die Vorratsdatenspeicherung in EU-Ländern vergleicht.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf dem am Dienstag eröffneten Innovationsforum des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin wurde auch über die Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Beim Vergleich der Vorratsdaten-Speicherpraxis europäischer Länder zeichnete sich ab, dass ein Umdenken bei der umstrittenen Praxis eingesetzt hat und grundrechtsschonende Lösungen gefragt sind.

Der Jurist Sebastian Schweda berichtete von dem BMBF-Projekt INVODAS, das die unterschiedlichen juristischen Umsetzungen der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie 2006/24/EG der EU in den einzelnen Mitgliedsstaaten untersuchte. Die Juristen erstellten dafür eine Matrix, wie grundrechtsschonend die Staaten die EU-Richtlinie umsetzen. Sie untersuchten nicht, wie effektiv die Vorratsdatenspeicherung bei polizeilichen Ermittlungen ist. Dafür existierten auch keine belastbaren Daten, so Schweda.

In der formaljuristischen Bewertung zeigte sich, Deutschland fahre gut, wenn es die Neufassung des gesetzlichen Rahmens verschleppe: Je später die EU-Richtlinie umgesetzt werde, umso durchdachter sei sie, sagte Schweda zu dem Ländervergleich, in dem die unlängst aktivierte Vorratsdatenspeicherung in Österreich die besten Noten in Sachen Datenschutz bekam. Gute Noten erhielten auch die Länder, die Ermittlungen mit Zugriff auf Datenbestände nur bei besonders schweren Straftaten oder bei möglichen Strafen ab fünf Jahren Gefängnis gestatten oder in denen nur die Daten von besonders benannten Konzernen und nicht von kleinen Anbietern gespeichert werden müssen.

Der Richtervorbehalt, der in 15 EU-Ländern bei Ermittlungen mit Vorratsdaten vorgeschrieben ist, wurde im Rahmen des INVODAS-Vergleiches mit einer "sehr nachlässigen Handhabung" abwertend beurteilt. Abhilfe könne ein Instanz schaffen, in der auf elektronische Ermittlungen spezialisierte Richter arbeiten, ergänzt durch Rechtsschutzbeauftragte, die die Ermittlungsanträge aus Bürgersicht prüfen.

Sicherheitslösungen müssten gesellschaftliche Dimensionen berücksichtigen, betonte der Datenschützer Hansjürgen Garstka auf dem Innovationsforum, der sich von der im Januar präsentierten Neuregelung des Datenschutzes eine präzisere Begrifflichkeit erhoffte, die den aktuellen Stand der Technik wirklich berücksichtige. Zur Stimmung in Deutschland zitierte Garstka aus dem Buch "Post-Privacy" von Christian Heller, nach dessen Ansicht ein ganz und gar verwirklichter Datenschutz das Internet verkümmern ließe. Ihm stellte er Anmerkungen aus dem Buch "Transparenzgesellschaft" von Byung-Chul Han zur Seite, der meine, dass sich Deutsche freiwillig dem "panoptischen Blick" des Staates ausliefern und die Vorratsdatenspeicherung bejahten. (anw)