DNS-Redirect: Jedem seinen eigenen Sitefinder

Der Provider Tiscali leitet bei Domain-Vertippern auf eine eigene Seite um, die wiederum von Anzeigenkunden bezahlte Links und Redirects enthält.

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Von
  • Monika Ermert

Tiscali hat immer schon ein Herz für alternative DNS-Dienste von new.net bis zum Public Root bewiesen. Doch mancher Tiscali-Nutzer wundert sich nicht schlecht, wenn er nach einer falsch eingetippten Webadresse plötzlich bei den Travelservices von American Express landet. So ging es auch heise-online-Leser Markus Brückner, der sich über die im gleichen Atemzug verbreiteten Werbebotschaften ärgerte. Die Tiscali-Masche geht dabei, wie der Blick auf die Vertipper-Umleitungen zeigt, über den viel kritisierten Sitefinder-Dienst von VeriSign noch hinaus. Beim VeriSign Sitefinder waren .com-Domains betroffen, hielt Brückner gegenüber heise online fest: "Bei Tiscali betrifft es dagegen jede nicht auflösbare Adresse." Schon ein Vertipper wie wwww.heise.de landet prompt bei Tiscali.

Umgeleitet: Ungewollte Ansichten bei Tiscali nach URL-Vertippern [KLicken für vergrößerte Ansicht]

Dem freundlichen Hinweis, dass man sich wohl leider vertippt habe, wird dabei gleich eine Reihe von Alternativangeboten beigefügt, auch wenn diese mit der eigentlichen Webadresse nichts zu tun haben. Wer zulange überlegt, wird von hier aus gleich automatisch weitergeleitet zur Webpage des wohl am besten zahlenden Werbekunden. Diese Idee hatte auch VeriSign beim Sitefinder schon gehabt – aber realisiert wurde sie nicht mehr, da Sitefinder nach massiven Protesten   gestoppt worden war.

Bei Tiscali in München gab man sich erst einmal ahnungslos. Ein solcher Umleitungsdienst für Domainvertipper sei derzeit nur intern in der Erprobung, sagt Pressesprecher Uwe Taeger. Nach außen könne eigentlich gar nichts sichtbar sein. Das stimmt so aber nicht: Auch von anderen Tiscali-Kennungen in anderen Städten aus stößt man auf die DNS-Redirects bei Vertippern und erhält die Werbebotschaften, wie Tests der Redaktion ergaben.

Ein Blick auf die IP-Adresse, bei der die Redirects landen, offenbart, dass Tiscali sich für den Dienst des französischen Unternehmens Golog bedient, das seine Geschäftsfeld mit dem Begriff "traffic enhancer" bezeichnet. Das Golog-System, laut der Firma von François-Luc Collignon entwickelt, sei ein Service, "Anfragen der Nutzer zu analysieren und zur am ehesten gewünschten Webseite umzuleiten." Erfasst werden dabei, so heißt es auf der Golog-Seite, sowohl die zurückgegebenen Fehlermeldungen aus dem DNS als auch "natürlichsprachige" Eingaben.

Das Golog-Geschäftsmodell wird etwas widersprüchlich beschrieben, einmal als transparente Navigationshilfe für den Nutzer, das von vielen Providern bereits implementiert sei. Auf der anderen Seite wird die Golog-Software als Möglichkeit für Provider angepriesen, neue Einkommensquelle zu erschließen. Die Empfehlungen zur wwww.heise.de-Anfrage (siehe Screenshot) deuten aber eher auf letztere Motivation. Ob die nicht auflösbaren Requests über die mit Golog-Software versehenen Tiscali-Server bedient werden oder von den Golog-Maschinen aus, ist derzeit unklar. Golog hat auf eine Anfrage von heise online vorerst nicht reagiert; eine Stellungnahme der italienischen Muttergesellschaft von Tiscali Deutschland zu den DNS-Redirects und der Unterstützung des alternativen DNS-Dienstleisters UnifiedRoot steht ebenfalls noch aus.

Aus Sicht von Tiscali-Nutzern bietet sich zur Umgehung wohl der Einsatz eines unabhängigen Nameservers an. Damit sollten die Werbeumleitungen umgangen werden können. (Monika Ermert) / (jk)