Bundesjustizministerium hält an TK-Vorratsdatenspeicherung fest

Trotz prinzipieller Bedenken über die EU-Richtlinie zur Nutzerüberwachung arbeitet die Bundesregierung weiter an einem Gesetzesentwurf, während sich in den USA erstmals ein Provider für die Datenarchivierung ausgesprochen hat.

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Trotz starker Zweifel an der Umsetzbarkeit der umstrittenen EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internet-Daten ins nationale Recht arbeitet das Bundesjustizministerium weiter an einem entsprechenden Gesetzesentwurf. Dies erklärte eine Sprecherin des Hauses gegenüber dem Berliner Tagesspiegel. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hatte zuvor schwere Bedenken geäußert, ob die Brüsseler Vorgaben mit dem deutschen Grundgesetz und der darin verankerten informationellen Selbstbestimmung der Bürger vereinbar sind. Zugleich monierten die Experten die von den EU-Politikern gewählte gesetzgeberische Grundlage in Form einer Richtlinie, für die keine Einstimmigkeit unter den zuständigen Ministern der Mitgliedsstaaten erzielt werden muss.

Das Justizministerium sieht dennoch sowohl bei der Wahl der europäischen Rechtsgrundlage als auch bei der verfassungsgemäßen deutschen Umsetzung keine Schwierigkeiten. Auch der ehemalige Generalsekretär der SPD, der Berliner Bundestagsabgeordnete Klaus-Uwe Benneter, zeigte sich zuversichtlich, ein verfassungskonformes Gesetz zustande zu bringen. Schließlich müsse der Rechtsstaat "den Datenschutz und den Schutz vor Terroristen" in Einklang bringen. Die EU-Kommission und der EU-Rat hatten die mindestens sechsmonatige Aufbewahrung von Verbindungs- und Standortdaten vor allem mit dem Argument einer besseren Terrorbekämpfung vorangetrieben. Die vom EU-Parlament mit abgesegnete Richtlinie lässt den Mitgliedsstaaten aber zahlreiche Hintertüren, um auch bei minder schweren Straftaten in den anzulegenden Datenbergen schürfen zu können.

Der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, hatte im Juli erklärt, dass der von Schwarz-Rot im Parlament bereits prinzipiell befürwortete Kompromiss bei der Vorratsdatenspeicherung eine "Niederlage des Datenschutzes" darstelle. Falls erkennbar würde, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf verfassungswidrige Züge trage, will er sich an einer Beschwerde gegen die verdachtsunabhängige Überwachungsmaßnahme in Karlsruhe beteiligen. Auch die Frage eines Moratoriums bei der pauschalen Vorhaltung der Nutzerspuren, das Datenschützer von Landes- und Bundesebene sowie zivilgesellschaftliche Organisationen gefordert haben, will Tauss noch prüfen.

In den USA hat sich derweil die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung ebenfalls verschärft. Dort hat sich mit dem Breitbandanbieter Qwest Communications erstmals ein Internetprovider offen für eine gesetzliche Regelung zur Aufzeichnung von Verbindungsdaten ausgesprochen. "Wir unterstützen eine Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung", erklärte die Datenschutzbeauftragte des Konzern, Jennifer Mardosz, auf einem Treffen der republikanischen Denkfabrik Progress and Freedom Foundation (PFF). Dabei sprach sie sich insbesondere für ein Vorhaben (PDF-Datei) der demokratischen Abgeordneten Diana DeGette aus. Es sieht vor, dass die Provider nicht näher beschriebene Verbindungsdaten "für mindestens ein Jahr" aufbewahren und Ermittlern zugänglich machen müssen. US-Justizminister Alberto Gonzales hatte im Juni eine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung für zwei Jahre gefordert. Der Republikaner begründete seine Forderungen zunächst mit besseren Möglichkeiten im Kampf gegen Kinderpornografie und baute seine Argumentation später auf das Feld der Terrorismusbekämpfung aus.

Internetanbieter liefen in den USA zunächst geschlossen gegen die Vorratsdatenspeicherung Sturm. Ihre Kritik bezog sich nicht nur auf die hohen Kosten für die Maßnahme. Es hieß auch, dass Straftäter die Kontrolle etwa mit Hilfe von Anonymisierungswerkzeugen umgehen könnten. Zudem seien die Eingriffe in die Privatsphäre mit der Aufhebung der Unschuldsvermutung zu gewaltig. Ende Juni zeigten sich US-Provider aber uneins im Streit um die geforderte Aufbewahrung von Verbindungsdaten. Qwest argumentiert nun, dass man für eigene Zwecke bereits 99 Prozent der Logeinträge bis zu ein Jahr lang speichere. Nun müsse eine ernsthafte Debatte geführt werden, wie die Interessen zum Schutz der Privatsphäre und die der Strafverfolger ausbalanciert werden könnten.

Die US-amerikanische Internet Service Provider Association bleibt bei ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung. Die auf dem Tisch liegenden Vorschläge würden "schwere technische und rechtliche Bedenken" hervorrufen und könnten die Internetsicherheit gefährden, betont die Lobbyvereinigung, der Firmen wie AOL, AT&T, BellSouth, EarthLink and Verizon Communications angehören. Welche Datentypen in den USA vorgehalten werden sollen, lassen Politiker offen. Seit AOL jüngst das Malheur mit der Veröffentlichung von Suchabfragen von über 650.000 Kunden passierte, scheinen sich die Ermittler auch verstärkt für solche Datenbankeinträge zu interessieren. In der EU gehören derlei Informationen nicht zu der langen Liste der aufzubewahrenden Kommunikationsdaten.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (vbr)