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Telecombranche hofft auf IPTV

Rund eine Million Kunden will etwa Telekom-Chef Kai-Uwe-Ricke bis Ende kommenden Jahres für seinen neuen IPTV-Dienst unter Vertrag nehmen. Experten sind weniger euphorisch.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Murphy
  • dpa

Die Telecombranche hat nach dem Mobilfunkstandard UMTS einen neuen Hoffnungsträger gefunden: Dem lahmenden Inlandsgeschäft soll die Übertragung von Fernsehbildern über das Internet-Protokoll (IPTV) auf die Sprünge helfen. Die Deutsche Telekom setzt große Hoffnungen auf das Geschäftsfeld und hat sich dazu eigens die Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga gesichert. Auch wenn bislang nur einige wenige Kunden das neue Angebot nutzen, zeigt sich Konzernchef Kai-Uwe Ricke vom Erfolg überzeugt. Rund eine Million Kunden will er bis Ende kommenden Jahres für seinen neuen Dienst unter Vertrag nehmen. Experten sind weniger euphorisch.

Mit IPTV wollen die Telecomfirmen das Fernsehen neu erfinden. "Es entsteht hier nicht nur ein weiterer TV-Vertriebskanal, sondern ein neuer Markt für innovative Anwendungen", sagt Telekom-Vorstand Walter Raizner. Dabei denkt er etwa an "Video on Demand" – also das Streamen und Herunterladen von Filmen, die der Anwender sich selbst aussucht; der TV-Zuschauer wird damit zum eigenen Programmdirektor. Die Telekom verspricht sich von dem neuen Geschäftsfeld zusätzliche Einnahmen, mit denen die Rückgänge im traditionellen Festnetzgeschäft ausgeglichen werden sollen. Die Preise und die Angebotspalette will der Konzern auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin präsentieren.

Den Einstieg in das neue Geschäftsfeld haben sich die Bonner viel kosten lassen. Für rund drei Milliarden Euro baut die Telekom ein schnelles Glasfasernetz für VDSL-Anschlüsse beim Endkunden, worüber die neue Medienvielfalt transportiert werden soll – und um dessen Herausnahme aus der Regulierung noch gestritten wird. Bislang sind zehn Ballungsgebiete angeschlossen – 40 weitere sollen bis Mitte kommenden Jahres folgen. Neben der Telekom plant auch eine Reihe anderer Telecomfirmen den Einstieg ins IPTV. Experten warnen allerdings davor, zu große Hoffnungen in das junge Geschäft zu setzen. "Es ist das Fernsehen von morgen, aber es ist derzeit schwer, den Kunden den Mehrwert zu vermitteln", sagt Philipp Geiger von dem Beratungsunternehmen Solon. Die bisherige Entwicklung gibt ihm Recht: Mit zwei Millionen Nutzern weltweit sehen die Marktforscher von Gartner IPTV noch in den Kinderschuhen. Die Ausbreitung laufe unter den Erwartungen. Nach Einschätzung von Solon werden bis Ende 2010 in Deutschland etwa zwei Millionen Haushalte auf das Fernsehen über Internet zurückgreifen. "Ich würde keine Umsatzwartungen an IPTV knüpfen", sagt Solon-Experte Geiger.

Das Vordringen der Telecomkonzerne in das neue Geschäft ist auch eine Reaktion auf die Expansion der TV-Kabelnetzbetreiber. Diese rüsten derzeit ihre Netz auf, um damit Telefonie und Internet-Zugang über das TV-Kabel anbieten zu können. Mit günstigen Bündelangeboten von Telefonie, Internet und Medieninhalten nahm Marktführer Kabel Deutschland (KDG) der Telekom schon einige Kunden ab. Die Experten von Solon und Gartner bescheinigen den Kabelnetzbetreibern enorme Wachstumschancen durch den Einstieg in die Telefonie. Mit rund 50 Milliarden Euro ist der deutsche Telekommarkt rund 10-mal so groß wie das Mediengeschäft.

Ein wirkliches Wachstum können die Telecomfirmen also nur über eine Weiterentwicklung des Mediengeschäfts erreichen. Dies brauche seine Zeit, damit die Kunden die neuen Produkte, die es derzeit zum Teil noch gar nicht gebe, auch verstünden, sagt Geiger. "IPTV ist daher eher eine Langfrist-Strategie." (Martin Murphy, dpa-AFX) / (jk)