EU-Kommission untermauert Kritik an "Regulierungsferien" für die Telekom

Die für die Informationsgesellschaft zuständige Kommissarin Viviane Reding sieht anhand Studien zum neuen Rechtsrahmen für Telcos ihr Nein zu der geplanten Ausnahme des VDSL-Netzes von der Regulierung erhärtet.

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Die für die Informationsgesellschaft zuständige Kommissarin Viviane Reding sieht anhand jetzt in Brüssel vorgelegter wissenschaftlicher Analysen rund um den geplanten neuen Rechtsrahmen für Telcos ihr Nein zu einer Ausklammerung des VDSL-Netzes der Deutschen Telekom von der Regulierung erhärtet. Sie bezieht sich dabei vor allem auf eine knapp 200 Seiten starke Studie (PDF-Datei) zur "Bewertung des Regelungsrahmens für elektronische Kommunikation: Wachstum und Investition im E-Kommunikationssektor der EU". Ein Kernergebnis der von London Economics und PricewaterhouseCoopers unternommenen Untersuchung ist, dass eine wirksame nationale Ordnungspolitik auf der Grundlage des EU-Telekommunikationsrechts neben Faktoren wie dem Bruttosozialprodukt pro Kopf, der regionalen Bevölkerungsdichte und der Industriestruktur eine wesentliche und positive Rolle als Investitionsanreiz in diesem Sektor spielt. Die Kommission sieht damit ihre Auffassung gestützt, dass zeitweilige "Regulierungsferien" sowohl für einzelne Mitgliedstaaten als auch für die EU insgesamt kontraproduktiv wären.

Nach dem auch hierzulande heftig umstrittenen Entwurf der Bundesregierung zur Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) soll die Telekom mit dem neuen Glasfasernetz, das VDSL-Anschlüsse bei Endkunden mit bis zu 50 MBit/s ermöglicht, unbeschadet von Preisauflagen und Öffnungsklauseln für Konkurrenten an den Start gehen können. Die entsprechende Klausel in Paragraph 9a TKG sieht vor, "neue Märkte" im Netzbereich und die in sie fließenden Investitionen vor Konkurrenten zunächst abzuschotten. Wettbewerber sollen die ausgebaute Datenautobahn im Gegensatz zu den normalen Festnetzleitungen für einen gewissen Zeitraum nicht befahren und ihren eigenen Kunden zur Verfügung stellen dürfen.

Unsicherheiten bei der Telco-Regulierung haben sich als Gift für den Ausbau von Infrastrukturen herausgestellt, heißt es in der Studie nun. Die Herausforderer der Altmonopolisten im Telekommunikationsmarkt haben demnach auch – proportional zu ihrer Größe gesehen – mehr Investitionen getätigt als ihre alteingesessenen Konkurrenten. Bei den Gesamtinvestitionen führen die Platzhirsche allerdings noch deutlich vor den Neueinsteigern und gaben achtmal so viel Geld für den Netzausbau aus wie diese. Ohne griffige Sanktionen gegen wettbewerbsbehindernde Maßnahmen, lautet die Analyse, würde dieses Verhältnis noch deutlich stärker zuungunsten der neuen Wettbewerber ausfallen.

Die zweite Studie (PDF-Datei), die Rechtsexperten von Hogan & Hartson und Analysys erstellt haben, dreht sich um die "nächsten Schritte für die Regulierung der elektronischen Kommunikation". Auf knapp 400 Seiten werden der Kommission darin auf der Basis von Interviews von Marktteilnehmern 65 konkrete Reformvorschläge ans Herz gelegt. Die Mehrheit der Befragten hält demnach weitere Arbeit an einem funktionierenden Binnenmarkt für die Telekommunikation für erforderlich. Zu den konkreten Reformempfehlungen zählt die Straffung des Marktprüfungsverfahrens, die Verbesserung der Rechtsmittelverfahren vor den einzelstaatlichen Gerichten und die Schaffung europaweiter Genehmigungen für Kommunikationsdienste.

Darüber hinaus plädieren die Verfasser dafür, dass die strukturelle Trennung von Marktsektoren für die nationalen Regulierungsbehörden ein letztes Mittel bei der Vorabregulierung sein sollte und die organisatorische sowie funktionelle Aufteilung in die Liste der Maßnahmen zur "ex ante"-Regulierung aufgenommen werden sollte. Ferner geht die Studie auf das kontroverse Thema ein, ob die Kommission im Falle der erheblichen Marktmacht eines Betreibers auf einem bestimmten Markt für elektronische Kommunikation stärkeren Einfluss auf Maßnahmen nationaler Regulierungsbehörden erhalten sollte. Etliche Befragte sprachen sich dafür aus, dass eine stärkere Kontrolle solcher nationaler Anordnungen durch Brüssel eine größere Harmonisierung und die einfachere Verfügbarkeit von einheitlichen Großkundenprodukten in der gesamten EU erleichtern würde. Die Gutachter betonen, dass aus "falschen Vorabregulierungen" größere Gefahren für den Wettbewerb erwachsen könnten als aus einer "fehlerhaft konzipierten Marktanalyse".

Der als drittes veröffentlichte Sachverständigenbericht (PDF-Datei) zur "Überarbeitung der Empfehlung für Märkte, für die eine Vorabregulierung vorgesehen ist" enthält auf gut 100 Seiten eine Einschätzung von Wirtschaftsexperten zum Stand des Wettbewerbs in den Bereichen Schmalband- und Breitband-Internet sowie Mobildiensten. Er schlägt vor, einen Großteil der in einer Empfehlung der Kommission von 2003 aufgeführten Endkundenmärkten aus der Regulierung zu entlassen. Demnach gewährleisten dort die für Großkunden geltenden Vorschriften bereits einen wirksamen Wettbewerb. Die Vorabregulierung etwa auf den Märkten für Endkunden-Telefonverbindungen und für Mietleitungen könnte daher abgeschafft werden. Die Studienautoren empfehlen weiter, den Markt für den Zugang zu Mobilfunknetzen und für Verbindungsaufbau nicht mehr gesondert zu erfassen.

Zur Auseinandersetzung um die Telekommunikationsregulierung und das geplante VDSL-Netz der Deutschen Telekom siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)