OLG Hamburg legt Begründung zum "Heise-Forenurteil" vor

Besteht eine konkrete Gefahr für rechtsverletzende Forenbeiträge, ist der Betreiber verpflichtet, im entsprechenden Artikelforum mitzulesen und gegebenenfalls Beiträge zu löschen.

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Von
  • Holger Bleich

Das hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hat am heutigen Montag die schriftliche Begründung zu seinem Urteil gegen den Heise Zeitschriften Verlag nachgereicht (Az. 324 O 721/05, PDF). Am 22. August hatte das Gericht entschieden, dass der Verlag ein Artikelforum auf heise online dann auf rechtswidrige Beiträge hin überwachen muss, wenn er konkret auf dort bereits stattgefundene Rechtsverstöße hingewiesen wurde. Im Unterschied dazu hatte das Landgericht Hamburg als Vorinstanz de facto die Vorabüberwachung aller heise-online-Foren verlangt. Der Verlag hatte gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.

In der Auseinandersetzung geht es um die Frage, inwieweit der Verlag für Beiträge in den öffentlichen Diskussionsforen auf heise online haftet. Ausgangspunkt des Streits war das Posting eines Forennutzers, das einen unzulässigen Blockadeaufruf gegen die Server des Internet-Dienstleisters Mario Dolzer enthielt, über die ein Trojaner-Programm verbreitet wurde. Der Verlag hatte diesen Beitrag zwar unverzüglich nach Kenntnisnahme gelöscht. Doch hatte das Landgericht (LG) Hamburg in erster Instanz entschieden, dass der Verlag als so genannter "Störer" für diesen Beitrag auch ohne Kenntnis selbst in Haftung zu nehmen sei (PDF).

In der schriftlichen Begründung erkennt das OLG Hamburg zunächst an, dass der Verlag "weder als Täter noch als Teilnehmer an den schadensträchtigen Veröffentlichungen in Betracht" kommt. Die Beiträge in Webforen wie denen von heise online seien nicht mit Leserbriefen in Printmedien zu vergleichen. In Anlehnung an die vom Bundesgerichtshof festgelegten Grundsätze zu Live-Sendungen im Fernsehen gelte "für ein Internetforum, bei dessen Nutzung nicht einmal der Eindruck erweckt wird, der Beitrag gebe die Meinung des Forumsbetreibers wieder, dass schon im Hinblick auf die garantierte Freiheit der Meinungsäußerung auch eine Haftung als Störer im Regelfall nicht in Betracht kommt, soweit lediglich der Vorgang des Einstellens des Beitrags durch Dritte in Frage steht."

Der Verlag sei seiner Verpflichtung nachgekommen, bei Kenntnis von Rechtsverletzungen innerhalb weniger Stunden die beanstandeten Postings zu löschen. Allerdings obliege ihm als Betreiber in der Folge "die Pflicht, die Beiträge des konkreten Forums laufend daraufhin zu überprüfen, ob sie erneute Aufrufe der beanstandeten Art enthielten". Die Kontrolle eines einzelnen Artikelforums von heise online hält das Gericht für zumutbar, wenn weitere Rechtsverletzungen drohten. Ansonsten entstehe für den in seinen Rechten verletzten ein "Vakuum" für den Schutz seiner grundrechtlich geschützten Positionen, weil er lediglich die Löschung konkreter Beiträge verlangen könne.

Allgemein gesprochen hält der OLG-Senat "eine spezielle Überwachungspflicht des Betreibers dann für angemessen, wenn dieser entweder durch sein eigenes Verhalten vorhersehbar rechtswidrige Beiträge Dritter provoziert hat, oder wenn ihm bereits mindestens eine Rechtsverletzungshandlung von einigem Gewicht im Rahmen des Forums benannt worden ist, und sich die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen durch einzelne Nutzer bereits konkretisiert hat". Weil der Verlag sein Forum gewerblich betreibe, sei ihm eine Überwachung überdies "eher zuzumuten" als privaten Forenbetreibern.

"Es ist bei uns gängige Praxis, dass wir Beiträge in derlei Foren nach Veröffentlichung prüfen, soweit es mengenmäßig zu leisten ist", erklärt Christian Persson, Chefredakteur von heise online. "Postings, in denen wir Rechtsverstöße erkennen, sperren wir ohnehin sofort." Bereits in den Nutzungsbedingungen zu den Foren erkenne der Verlag eine Mitverantwortung für die Verbreitung der Forenbeiträge an: "Für die nunmehr eingeschränkte Verpflichtung hätte es des Urteils nicht bedurft. Obwohl die Berufung zurückgewiesen wurde, sehen wir unsere Auffassung in dieser Frage bestätigt. Wir freuen uns darüber, dass die vom Landgericht Hamburg gesehene Vorab-Kontrollpflicht für Forenbeiträge wieder vom Tisch ist." Ob der Verlag gegen die Zurückweisung der Berufung Rechtsmittel einlege, werde nach genauerer Prüfung der Urteilsgründe entschieden. (hob)