Neues Bundesmeldegesetz: Experten fordern Nachbesserungen

Wegen der Wiederkehr der Vermieterbescheinigung oder einer 55-jährigen Speicherfrist für Meldedaten kritisieren Datenschützer und Verwaltungsexperten den Regierungsentwurf. Manche Neuerungen seien kaum in Software abzubilden, monieren IT-Experten.

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Datenschützer sowie Vertreter von Behörden und Unternehmen kritisieren den Regierungsentwurf zur "Fortentwicklung des Meldewesens". Michaela Schultze, Referentin beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz, begrüßte auf einer Konferenz der privaten europäischen Meldedatenauskunft Riser am Donnerstag zwar allgemein die geplante Stärkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Anforderungen an Abfragen von Meldedaten sollten aber weiter erhöht werden.

Schultze lobte, dass Auskünfte über Vor- und Familiennamen, akademische Grade sowie gegenwärtige Anschriften laut dem Vorstoß der Bundesregierung nur noch für Werbung und Adresshandel herausgegeben werden dürfen, wenn die betroffene Person einer entsprechenden Übermittlung zugestimmt hat. Diese Einwilligungslösung sei aber auf Auskunftswünsche für andere Zwecke wie die Parteiwerbung auszuweiten und müsse derzeit vorgesehene Widerspruchslösungen ersetzen. Für die Abfrage erweiterter Daten sei generell ein "rechtliches Interesse" vorzubringen.

Nicht einverstanden zeigte sich Schultze mit dem Festhalten an der Hotelmeldepflicht. Die Datenschützer von Bund und Ländern forderten seit langem deren Abschaffung für deutsche Gäste, führte sie aus. Es handle sich um eine massive Erhebung von Daten, die für polizeiliche Ermittlungen zur Verfügung stehen sollten. Damit sei von einer Form der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung auszugehen. Erleichtert zeigte sich die Datenschützerin, dass es kein zentrales Bundesmelderegister geben solle.

Dass Vermieter einen Ein- oder Auszug künftig wieder bestätigen sollen, sieht die Kontrolleurin ebenfalls skeptisch. "Uns fehlen belastbare Zahlen und Erkenntnisse, dass diese Vorgabe tatsächlich geeignet ist, um Scheinanmeldungen zu verhindern", erläuterte Schultze. Die Abschaffung der Auflage vor einigen Jahren sei genau mit der Begründung erfolgt, dass die von den Bürgern als lästig empfundene Regelung wenig gebracht habe.

Stephan Hauber, Geschäftsführer des auf Kommunalsoftware spezialisierten Anbieters HSH, monierte eine sinkende Effizienz. Durch verschiedene neue Regelungen werde der Aufwand enorm erhöht und die Trefferquote entsprechend verringert. Dazu zählte der IT-Experte die Registrierung der Anfragenden bei der einfachen Melderegisterauskunft, die neue Auflage, die eine Begründung für Anfragen verlangt, oder die Möglichkeit der phonetischen Suche. Einige Formulierungen seien zudem unscharf und schwer bis gar nicht in Software abzubilden. Es werde auch kein einheitlicher Standard für die Datenübermittlung geschaffen.

Burghard Rech, Melderechtsreferent im Sächsischen Innenministerium, bezeichnete das Vorhaben zwar als Chance. Mehrkosten entstünden im Verwaltungsalltag aber etwa aufgrund erhöhter Datenschutzanforderungen sowie der Anpassung der IT-Systeme. Insgesamt geht er von einem Investitionsbedarf von über 2 Millionen Euro für Sachsen aus. Nur über Gebühren sei die vorgesehene Rund-um-die-Uhr-Auskunft für Sicherheitsbehörden zu finanzieren. Für die Berliner Senatsinnenverwaltung kritisierte Staatssekretär Bernd Kröme die vorgesehene 55-jährige Speicherpflicht der Meldedaten.

Die Inkassowirtschaft, Werbetreibende und Auskunfteien wenden sich derweil gegen die vorgesehenen Einschränkungen und die Zweckbindung im gewerblichen Bereich. Kay Uwe Berg, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), plädierte in diesem Sinne für die Streichung der Opt-in-Lösung und den Erhalt der derzeitigen Rechtslage.

Für die Gesetzesinitiative warb mit Cornelia Rogall-Grothe, die Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik. Die geplante Einwilligungspflicht sei nicht nur Datenschutzüberlegungen, sondern auch einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet. Die Hotelmeldepflicht sei vom Schengener Abkommen zumindest für Ausländer vorgegeben, sodass sie "auch für Deutsche gelten sollte". Für Bürger würden elektronische Kontakte mit den Meldeämtern einfacher. Bisher sei dafür eine qualifizierte elektronische Signatur nötig. Künftig reichten die elektronische ID-Funktion des "neuen Personalausweises" oder Zertifizierungsverfahren über De-Mail aus. Die Bundesregierung habe den Ländern zudem bereits zugesichert, die Umsetzungsfrist von 18 auf 24 Monate zu erhöhen. Der Bundestag will den Entwurf in den kommenden Wochen in seinen Ausschüssen beraten. (ssu)