Michael Dressen: "Wir sind auf dem Wege zu mehr Profitabilität"

Nach den ersten 100 Tagen als Regional Managing Director bei Tech Data Deutschland und Österreich äußert sich Michael Dressen im Interview mit heise resale zu den Stärken und Schwächen im Distributionsgeschäft des Grossisten.

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Von
  • Wolfgang KĂĽhn

"Broadline ist eine Herausforderung fĂĽr uns", Michael Dressen, Regional Managing Director Tech Data

(Bild: Wolfgang Kühn)

Seit etwa 100 Tagen sitzt Michael Dressen auf dem Chefsessel bei Tech Data Deutschland und Österreich. Der Regional Managing Director kam von Also Actebis. Heise resale sprach mit Michael Dressen über seine ersten Eindrücke von Tech Data, über die Stärken und Schwächen in der Broadline-Distribution, über den Stand in der Value Add Distribution und über den Mitbewerb "im Norden" und "im Münchner Osten".

Herr Dressen, Tech Data eilt der Ruf voraus, im Broadline-Geschäft weniger erfolgreich zu sein, als die beiden Mitbewerber Also Actebis und Ingram Micro.

Michael Dressen: Sicherlich ist Broadline eine der Herausforderungen fĂĽr uns. Da sind wir noch lang nicht dort, wo wir sein wollen. Insofern muss ich ihre Frage bejahen, da mĂĽssen wir uns deutlich verbessern.

Wo liegen die Ursachen für dieses Schwächeln?

Dressen: Wir erzielen derzeit in diesem Bereich noch nicht die Margen, die wir haben wollen. Auch im Vergleich zu unseren europäischen Gesellschaften. Außerdem haben wir beim Volumen noch Potenzial.

Wie hoch ist der Anteil des Broadline-Geschäfts am Gesamtvolumen?

Dressen: Etwa ein Drittel vom Gesamtumsatz. Beim Ertrag sieht es etwas schlechter aus. Auf jeden Fall haben wir in der Broadline das größte Potenzial auf dem Gebiet der Margen und der Market Shares.

Wie wollen Sie die Wende schaffen?

Dressen: Im Broadline-Geschäft haben wir verschiedene Initiativen gestartet. So schauen wir uns alle Hersteller und die Kunden an, wo wir Verluste festgestellt haben. Zusammen mit den Partnern untersuchen wir die Ursachen und versuchen dies zu ändern.

Können Sie das konkretisieren?

Dressen: Zum Beispiel Hewlett-Packard. Das Unternehmen hat die Backend-Boni abgeschafft; zumindest für einen Großteil des Geschäftes. Etwas, was ich schon seit Jahren fordere. Damit fallen für die Distribution einige Boni weg. Diesen vermeintlichen Verlust müssen wir uns jetzt an der Front-End-Marge wieder holen. Dabei hat die Distribution damit seit Jahren kein oder fast kein Geld verdient. Deshalb ist es Zeit, die Situation zu nutzen und die weggefallenen Backend-Boni über die Marge zu kompensieren. Diese vernünftige Entwicklung stößt nicht bei allen Broadlinern auf Gegenliebe. Neben uns hat noch ein anderer Marktbegleiter ebenfalls versucht, die weggefallene Front- bzw. Backend-Marge zu kompensieren. Die Kollegen aus dem Münchner Osten hingegen vertreten offensichtlich die Meinung, wenn man bisher kein Geld mit HP verdient hat, muss man auch in Zukunft damit kein Geld verdienen.

Nach Ihren Worten sieht es um die Profitabilität in der Distribution nicht sonderlich gut aus.

Tech Datas deutsche Hauptniederlassung an der MĂĽnchner KistlerhofstraĂźe.

(Bild: Tech Data)

Dressen: Die Broadline-Distribution in Deutschland verfügt über einen profitablen Anteil von 60 bis 70 Prozent. In anderen Ländern liegt dieser Anteil höher. Ein Grund dafür, warum in Deutschland der unprofitable Anteil so hoch ist, hängt auch mit den Herstellern zusammen. Denn deren Modelle haben es der Distribution leicht gemacht, sich in eine unprofitable Richtung zu bewegen. Genutzt hat dies letztendlich niemanden. Auch nicht dem Handel, der zwar was von den Boni bekommen hat, aber keinen Preisvorteil gehabt hat. Ebenso hat es der Distribution keinen nachhaltigen Vorteil gebracht. Und den Herstellern ebenfalls nicht. Und siehe da, die Hersteller, die solche Boni-Modelle vertraten, verlieren jetzt Marktanteile. Insofern ist für mich HP ein positives Beispiel. Wir haben jetzt die Gelegenheit, uns aus diesem Teufelskreis raus zu bewegen. Wenn da nicht alle Distributoren mitziehen, finde ich das mehr als bedauerlich.

Sie fordern höhere Margen. Die Folge sind höhere Verkaufspreise. Kann sich die Branche das leisten?

Dressen: Ja, die Margensituation muss sich und wird sich positiv verändern. Was das Thema Preise angeht, müssen wir uns überlegen, worüber wir letztendlich sprechen. Wenn für ein 500-Euro-Notebook ein Prozent mehr verlangt werden würde – und damit ist der Distribution schon viel geholfen – dann soll mir keiner erzählen, dass er die fünf zusätzlichen Euro beim Endkunden nicht durchsetzen kann. Auf der anderen Seite werden Apple die Notebooks aus der Hand gerissen. Und die fangen bei 1.300 Euro an. Die Kaufentscheidung eines Kunden hängt sicherlich nicht davon ab, ob das Notebook 500 oder 505 Euro kostet. Das merken die Kunden kaum. Für die Distribution hingegen kann dieses eine Prozent darüber entscheiden, ob sie Geld verdienen kann oder nicht.

Tech Data hat als Broadliner weniger Hersteller im Portfolio als der Mitbewerb. Haben Sie hier Handlungsbedarf?

Dressen: Die Frage kann man relativ einfach beantworten: Die Distribution macht mit etwa zehn Prozent ihrer Hersteller 70 Prozent des Umsatzes. Wenn wir bei 50 Herstellern sind, dann sind wir schon bei ĂĽber 90 Prozent. Und wenn wir bei 100 Herstellern sind, haben wir bereits rund 99 Prozent erreicht. Die Also hatte vor dem Zusammenschluss mit Actebis nur rund 20 Hersteller. Mit denen hat das Unternehmen 80 Prozent des Marktes abgedeckt. Aber ob sie jetzt 100 Hersteller haben und damit 98,8 Prozent des Marktes abdecken, oder sie decken mit 300 Herstellern 99,8 Prozent des Marktes ab, da zahlt sich der Unterschied nicht mehr aus.
Ja, der Tech Data fehlen heute noch Hersteller zur Abdeckung der 98 Prozent. Aber der Bedarf ist überschaubar, sicherlich keine 50 Hersteller. Nehmen Sie zum Beispiel Asus – diesen Hersteller haben wir bislang nur teilweise im Angebot. Daran müssen wir noch arbeiten. Ebenso wie bei ein paar weiteren Firmen. Wie gesagt, die Zahl der Hersteller kann bei uns etwas höher sein, aber zu viele werden zu einer Last. Es gibt eine Schwelle, ab der es uninteressant wird. Die haben wir noch nicht erreicht. Aber wir sind nicht weit davon entfernt.

Der Weg zur Tech Data-Spitze

Der neue Tech Data Chef in Deutschland und Österreich, Michael Dressen, hat mehr als 20 Jahre Branchenerfahrung. Nach diversen Führungspositionen bei Computer2000, der Transtec AG und AmeriQuest Technologies, stieg er im Mai 2005 bei Also Deutschland in Straubing ein. Nach dem Zusammenschluss der Distributoren Also in Straubing und Actebis in Soest zur Also Actebis im Januar 2011, übernahm er kurz danach die Geschäftsführung des neuen Konzerns. Zum 1. August 2011 verließ Dressen Also Actebis. Grund: Gustavo Möller-Hergt wurde neuer Chef in Soest. Am 1. Februar 2012 stieg Dressen als Regional Managing Director für Deutschland und Österreich bei Tech Data ein und Vorgängerin Isabelle Roux-Buisson übernahm als Managing Director DACH die Führung beim Tech Data VAD Azlan.

Wie viele Hersteller wĂĽnschen Sie sich?

Dressen: Wie gesagt, es geht nicht um 20 oder 30 Hersteller, allenfalls um ein oder zwei Hände voll. Dort sind wir noch nicht ganz so gut aufgestellt, wie wir sein könnten. Mehr aber auch nicht.

Und in welchen Produktbereichen ist mehr Präsenz nötig?

Dressen: Im PC-Bereich sind wird sicherlich, mit Ausnahme von Asus, gut aufgestellt. Ein gewisser Nachholbedarf besteht im Komponentenbereich. Aber auch da nicht alle Hersteller, sondern ein paar wenige. Das wäre sicherlich gut. Im Softwarebereich gibt es sehr viele Hersteller. Aber auch da gilt: Die zehn größten Hersteller weltweit machen 98 Prozent des Umsatzes aus. Von diesen zehn haben wir wahrscheinlich neun. Also allenfalls zur Abrundung noch den einen oder anderen Hersteller.

Trägt der Absatzmarkt in Deutschland drei Broadline-Distributoren?

Dressen: Mit drei Broadlinern ist Deutschland gut aufgestellt. Zumal die drei Broadliner ziemlich identische Umsätze erwirtschaften. Es gibt nicht mehr einen Distributor im Münchner Osten, der mit großem Abstand vor den beiden anderen dominiert. Die Context-Zahlen zeigen uns sehr deutlich, dass sich die Unterschiede verdichtet haben. Zeitweise lagen sogar wir auf Platz eins, dann mal wieder auf dem zweiten oder dritten Rang.

Umsatz ist die eine Seite, aber was ist mit der Profitabilität?

Dressen: Wir sind nicht so profitabel, wie wir es gerne wären. Da haben wir einen großen Nachholbedarf. Aber: Wir sind auf dem Wege, da gut voranzukommen, wie ich eingangs schon erläuterte.

HeiĂźt das, dass sie Hersteller ausgelistet haben?

Dressen: Wir haben noch niemanden ausgelistet. Ich glaube auch nicht, dass das notwendig ist. Wichtiger ist es, mit dem Hersteller die Probleme zu besprechen, um einen Weg zu mehr Profitabilität zu finden.

Im Value Add-Geschäft steht Tech Data weitgehend gut da. Beispiel Azlan, Maverick oder auch Datech. Wo ich aber nur wenig sehe, ist die TK-Sparte unter Brightstar.

Dressen: Der TK-Markt funktioniert nach anderen Mechanismen als der IT-Markt. Da hat der Retail einen viel größeren Einfluss. Somit ist die Anzahl der Player geringer. Auch der Fachhandel ist anders strukturiert. Unter den IT-Händlern hat es viel mehr Value Add Reseller. Anders im Mobility-Markt. Außerdem – und daran habe ich noch nie geglaubt – verkaufen IT-Händler keine Handys. Ein IT-Händler der mit seinem Geschäft Geld verdient, wird sich das nicht antun. Anders beim Retail. Da sind die Strukturen ganz andere. Deshalb ist es gut, dass wir mit Brightstar eine eigene Firma für diesen Bereich haben. Denn damit hat sich für uns in ganz Europa das Mobility-Geschäft positiv entwickelt.

Und wie steht es um die anderen VADs wie beispielsweise Azlan?

Dressen: Da sind wir sehr gut aufgestellt, in der Breite, bei der Kundendurchdringung und in der Tiefe. Da sehen wir wenig Handlungsbedarf im Sinne von Markt- oder Volumensteigerung. Ich sehe uns da im Vergleich zu den Kollegen sehr gut aufgestellt.

Sehen sie sich in diesem Bereich von den Value Add Distributoren bedrängt?

Dressen: Überhaupt nicht. Ich sehe hier eher einen Mitbewerb auf Augenhöhe, beispielsweise mit einer Avnet Technology Solutions. Ich sehe aber niemanden, auch von den mittleren oder kleineren VADs, die in der Breite und Tiefe so gut aufgestellt sind wie wir.

In welchen Value Segmenten ist Tech Data noch nicht gut vertreten, wo muss nachgebessert werden?

Dressen: Nochmals, wir sind im Value Add richtig aufgestellt und bieten die Tiefe, die dafür notwendig ist. Natürlich gibt es noch denen einen oder anderen Hersteller, den ich gern hätte. Zum Beispiel im Bereich Security.

Ich schlieĂźe aus Ihren AusfĂĽhrungen, dass Sie mit dem Vorgefundenen bei Tech Data zufrieden sind.

Dressen: Im Unternehmen verfügen wir über viel gutes Potenzial. Sicherlich tut es einem Unternehmen nie gut, wenn in zehn Jahren die Geschäftsleitung achtmal ausgetauscht wird. Gleichwohl brauchen wir von der Breite, wie Tech Data aufgestellt ist, und von der Akzeptanz der Kunden, keinen Vergleich zu scheuen. Auf jeden Fall kommt wieder mehr Ruhe in das Unternehmen. Dafür stehe ich. Aber für Kontinuität braucht man auch die richtigen Leute.

Und die holen Sie sich aus Straubing und Soest von ihrem ehemaligen Arbeitgeber Also Actebis?

Dressen: Das kann man so nicht sagen. Natürlich hat es Mitarbeiter gegeben, die von Also Actebis zu Tech Data gekommen sind. Bisher waren das mit mir drei. Das darf man wohl als eine überschaubare Größe bezeichnen. Außerdem werden wir jetzt zwei weitere Mitarbeiter dazu bekommen, die gerade ihre Verträge unterschrieben haben. Das ist nicht viel bei etwa 800 Mitarbeitern am hiesigen Standort. Grundsätzlich haben wir aber ständigen Bedarf an guten Mitarbeitern.

100 Tage Michael Dressen bei Tech Data. Wie fĂĽhlen Sie sich?

Dressen: Ich fĂĽhle mich ausgezeichnet. Ich treffe auf eine Organisation, die extrem gut aufgestellt ist und auch auf Mitarbeiter die motiviert sind, aber auch noch sehr viel Potenzial haben. Ich glaube, ich habe da einen sehr guten Schritt getan.

Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten zwei bis drei Jahre gesteckt?

Dressen: Sicherlich möchte ich die bereits diskutierten Dinge in diesem Zeitrahmen erfolgreich abschließen. Wir wollen in zwei bis drei Jahren in allen Bereichen in Deutschland führend dastehen: in der Profitabilität und in der Performance. (map)