Buchkritik: National Geographic "iPhone-Fotografie"

Ist das iPhone die bessere Kamera? Ein Buch widmdet sich nun ganz dem Fotografieren mit Apples Smartphone. Die Autoren wollen ihre Leser inspirieren, selbst kreativ zu werden. Ob es sich lohnt, das Buch zu lesen, erfahren Sie hier.

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Das Buch "iPhone-Fotografie" widmet sich einem kontrovers diskutierten Thema.

(Bild: NATIONAL GEOGRAPHIC)

Anarchie, Revolution, Beben – die Einleitung des neuen National-Geographic-Titels „iPhone-Fotografie“ liest sich wie eine Kampfansage an die herkömmliche Fotografie mit der digitalen Spiegelreflexkamera. Alteingesessenen werden die Zeilen, mit denen Fotograf Carsten Peter das Buch beginnt, nicht gefallen. Allein die Diskussionen im heise-Foto-Forum zeigen, wie emotional besetzt das Thema "Smartphone als Kameraersatz" ist.

Carsten Peter hat diesen Oldtimer mit der Hipstamatic-App festgehalten.

(Bild: Oldtimer, Carsten Peter/NATIONAL GEOGRAPHIC)

Eine kritische Auseinandersetzung dürfen Leser vom Buch nicht erwarten: Peter beschreibt den Status quo aus seiner Sicht – kompromisslos, ohne Platz für eine drei Kilogramm schwere Kamera. Fast unbemerkbar vollziehe sich ein Beben in der Fotografie, eine schleichende Revolution. Eine Art Anarchie der Digitalfotografie deute sich an, unterstützt von einem kreativen Heer von Entwicklern, die ihrer Fantasie freien Lauf lassen könnten und nicht von der Feinmechanik eines Fotoapparats abhängig sind.

Fotograf Peter lässt nach seinen provokanten Einleitungssätzen aber auch Argumente folgen, denn das Buch will inspirieren, anregen, das iPhone als Kamera zu entdecken. Auf den nächsten Seiten kommen deshalb weitere Praktiker zu Wort, die sich dem Thema völlig unterschiedlich annähern: alltäglich, künstlerisch, journalistisch.

@Arlein zeigt ihren roten Mund.

(Bild: No Vanilla Lifestyle, Carlein/NATIONAL GEOGRAPHIC)

Da ist zum Beispiel die Niederländerin Carlein van der Beek (@Arlein), die mit dem iPhone Fotos im Stile abstrakter Malereien schafft oder der Reportagefotograf Damon Winter, der eine Serie über US-Soldaten für die New York Times hauptsächlich mit dem Smartphone schoss. Fotojournalist Michael Christoph Brown dokumentierte mit dem iPhone unter anderem die Bürgerkriegswirren in Libyen und Richard Koci Hernandez lebt seine Passion für Streetfotografie mit dem Smartphone aus.

Praxis untermauert die Theorie – ein guter Ansatz. Tatsächlich lesen sich die Geschichten der Fotografen kurzweilig und nachvollziehbar. Allerdings fällt deutlich auf, dass sie die immer gleichen Argumente bemühen – von der Künstlerin @Arlen über den Reportagefotografen Damon Winter: Das iPhone sei unauffällig, immer dabei, schnell und mache frei von Konventionen.

Dieses Foto entstand ebenfalls mit der Hipstamatic-App.

(Bild: Buildings, Michael Christopher Brown/NATIONAL GEOGRAPHIC)

Da ist es gut, dass "iPhone-Fotografie" nicht allzu textlastig ist. Im Mittelpunkt stehen klar die Smartphone-Fotos und dazu gibt es stets die passende App-Sammlung und ein kurzes Making-Of. Auf den letzten Seiten verraten Peter und Co. außerdem noch Tipps und Tricks und erklären, welche Anwendung sie wofür bevorzugen. Das macht definitiv Lust zum Ausprobieren und ist ein gutes Gegengewicht zu den fast überspitzten Idealgeschichten der Fotografen.

In Oakland, Kalifornien, hat Fotograf Hernandez diesen Schnappschuss von einem Mann auf einem Kinderrad gemacht.

(Bild: Remember me, Richard Koci Hernandez/NATIONAL GEOGRAPHIC)

National Geographic "iPhone-Fotografie"

Carsten Peter, Michael Christopher Brown,
Richard Koci Hernandez, Carlein van der Beek,
Damon Winter

National Geographic, Hamburg 2012

175 Seiten, 29,95 Euro
ISBN 978-3-86690-276-3

Fazit. Auch, wenn das iPhone in naher Zukunft die Spiegelreflexkamera nicht ablösen wird – das können wir bei heise Foto einfach nicht glauben – es ermöglicht neue Perspektiven. Dass sich davor niemand verschließen kann, beweisen die fünf Fotografen mit ihren Bildern und sie machen Lust, selbst kreativ zu werden. Allerdings fehlt dem Buch etwas Grundsätzliches: die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Es feiert das iPhone als Heilsbringer für die Fotografie. Das Lesen verkommt so zu einer ziemlich einseitigen Sache. Für alle, die ihr Smartphone als Kamera entdecken wollen, ist National Geographics "iPhone-Fotografie" absolut empfehlenswert. Skeptiker machen um das wenig differenzierte Werk besser einen Bogen.

(ssi)