Experten beklagen dramatische Folgen des Fachkräftemangels

Der ITK-Branche gehen aufgrund fehlender IT-Mitarbeiter hochgerechnet Umsätze in Höhe von 11 Milliarden Euro pro Jahr durch die Lappen. Das hat eine Studie des Fraunhofer IAO und des IT-Verbands Bitkom ergeben.

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Unternehmen aus der Informationstechnik- und Kommunikationsbranche (ITK) gehen durchschnittlich von Umsatzeinbußen in Höhe von 8,5 Prozent aufgrund fehlender IT-Mitarbeiter aus. Das geht aus einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und des IT-Verbands Bitkom hervor. Das ergebe einen Verlust von 11 Milliarden Euro pro Jahr. Auswirkungen auf andere Branchen seien noch nicht mit eingerechnet, erklärte der stellvertretende IAO-Leiter Wilhelm Bauer zur Präsentation der Studie am Dienstag in Berlin.

2011 hatte die ITK-Branche rund 858.000 Beschäftigte, 38.000 Stellen blieben unbesetzt. Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder erläuterte, in der Software-Entwicklung seien 84 Prozent der Stellen nicht besetzt; in Marketing und Vertrieb lägen die Fehlquoten bei 50, in der IT-Beratung bei 36 und im IT-Support und der Internet-Administration bei 20 Prozent. In der Hardware-Entwicklung, die hierzulande eine untergeordnete Rolle spiele, klagten 14 Prozent der Firmen über mangelndes hochqualifiziertes Personal.

Der Wissensverlust durch fehlende IT-Experten "ist eine ökonomische Bedrohung für Unternehmen", führte Bauer aus. 26 Prozent der an der Umfrage beteiligten 203 Firmen, die zu 87 Prozent aus dem Mittelstand kommen, müssten deswegen bereits Aufträge ablehnen. 45 Prozent klagten schon über überlastete Mitarbeiter und Burnout-Effekte.

Besonders deutlich sei das Problem in der mittelständischen ITK-Wirtschaft, in der das Gros der Beschäftigten angestellt sei. Die dort angesiedelten Firmen fühlen sich von den Großen und den innovativen Startups unter Druck gesetzt. Die einen könnten Mitarbeiter mit höheren Löhnen abwerben, die anderen lockten mit größeren Karrierechancen. Allgemein wirkten sich auf den Fachkräftemangel die demographische Entwicklung, die recht gute Konjunktur sowie die Vernetzung und Digitalisierung auch von Arbeits- und Lebensstrukturen aus.

Die Nachfrageseite werde sich "dramatisch verändern", meinte Bauer. Entscheidend werde nicht nur das grundsätzliche IT-Know-how sein, sondern auch die Fähigkeit, es in Organisationsprozesse einzubinden und mit Kunden zu interagieren. Rohleder sieht einen "strukturellen Effekt", der die Entwicklung bremse. Bei den Studienanfängern in den Computerwissenschaften gehe es zwar etwas bergauf, es komme aber zu "unglaublichen Verlusten bis zum Abschluss". Die Absolventenzahlen lägen relativ stabil zwischen 15.000 und 16.000 in den vergangenen sechs Jahren. Die Mängel lägen nicht nur im Bildungssystem, auch wenn manche Professoren besonders eifrig am "Rausprüfen" von Studenten seien und manchen Einsteigern das erforderliche Rüstzeug aus der Schule fehle.

Für die Analyse führte das IAO Experteninterviews mit Vertretern aus der IT-Wirtschaft durch und verschickte einen Fragebogen an 1900 Firmen. Die Studiengesamtheit sei repräsentativ, betonte Bauer. Die Rücklaufquote von über 10 Prozent bezeichnete er als vergleichsweise hoch. Eine zusätzliche Delphi-Studie mit Experten habe ergeben, dass 69 Prozent der Teilnehmer bis 2025 eine bessere Work-Life-Balance anstrebten. 66 Prozent fanden besonders wichtig, bei der täglichen Wahl des Arbeitsortes flexibel zu sein. (anw)