Bundesregierung sorgt sich über pathologische Internet- und Computernutzung

Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans zeigt sich besorgt über den "exzessiven oder pathologischen Computerspiel- und Internetgebrauch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen".

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Jugendliche greifen in Deutschland zwar seltener zu Flasche, Zigarette oder Joint – insgesamt haben aber Millionen Bundesbürger erhebliche Suchtprobleme. Viele hängen inzwischen fast krankhaft am heimischen Computer oder an öffentlichen Geldspielautomaten, heißt es zumindest im neuen Drogen- und Suchtbericht (PDF-Datei) der Bundesregierung, den die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans am Dienstag in Berlin vorstellte. Besorgt zeigte sie sich über den "exzessiven oder pathologischen Computerspiel- und Internetgebrauch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen".

Mädchen und Frauen im Alter von 14 bis 24 Jahren nutzen vorwiegend soziale Netzwerke im Internet und eher selten Online-Spiele, junge Männer ebenfalls soziale Netzwerke, aber deutlich weniger, dafür spielen sie öfter online. Internetspiele reizten mit Belohnungssystemen oder bänden die Teilnehmenden in soziale Netzwerke ein. Dies berge besonders für Jugendliche eine hohe Suchtgefahr, heißt es in dem Bericht.

Für ihre Erkenntnisse zur Internet- und Computersucht zog die Drogenbeauftragte Ergebnisse der im September 2011 vorgestellten Studie "Prävalenz der Internetabhängigkeit" (PINTA) der Universitäten Greifswald und Lübeck heran. Dabei wurden 14.000 Personen im Alter von 14 bis 64 Jahren telefonisch nach ihrer Internetnutzung befragt. Demnach sind rund 560.000 Menschen als internetabhängig und 2,5 Millionen als problematische Internetnutzer einzustufen. Unter den 14- bis 24-Jährigen zeigen etwa 250.000 Anzeichen einer Abhängigkeit und 1,4 Millionen ein problematisches Nutzungsverhalten. Bei den 14- bis 16-Jährigen sind es laut dem Bericht 100.000 Abhängige und 400.000 problematische Nutzer.

"Der pathologische Umgang mit dem neuen Medium PC/Internet könnte auf frühkindliche Frustrationen menschlicher Grundbedürfnisse nach Bindung, Kontrolle und Selbstwertsteigerung und/oder sozialen Benachteiligungen zurückgehen", heißt es in dem Bericht zur Internetnutzung von Patienten in der Rehabilitation. Ein Forschungsprojekt der Allgemeinen Hospitalgesellschaft (AHG) untersucht Merkmale und Probleme solcher Patienten im Vergleich zu pathologischen Glücksspielern, Alkoholabhängigen und psychosomatisch Kranken. Dabei deute sich an, "dass es sich bei den pathologischen PC-/Internetnutzern um ein eigenständiges psychisches Störungsbild handelt". Im Gegensatz zu den anderen Abhängigkeitserkrankungen seien die Patienten im Alltag vermindert gewissenhaft, sie handelten also unsorgfältig und ungenau.

Dyckmans kündigte an, die Bundesregierung peile noch vor der Sommerpause eine Verordnung an, um in Gaststätten die Zahl der Glücksspielautomaten – derzeit sind das maximal drei – zu reduzieren. Zu diesen Geräten haben auch Jugendliche unter 18 Jahren – entgegen den gesetzlichen Bestimmungen – meist unkontrollierten Zugang.

Beim Tabakkonsum von Jugendlichen berichtete Dyckmans von einem neuen Tiefstand: Nur noch 12 Prozent griffen in der Gruppe der 12 bis 17-Jährigen mindestens einmal pro Woche zur Zigarette. Generell habe sich der rückläufige Trend beim Alkoholkonsum junger Leute 2011 fortgesetzt. Dies mache deutlich, dass die Drogen- und Suchtpräventionen der Bundesregierung positive Wirkung zeige.

Dagegen sei das Komatrinken bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiterhin stark verbreitet. Laut Bericht trinken etwa 9,5 Millionen Bundesbürger Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Die Zahl der Drogentoten war 2011 auf 986 und damit auf den bislang niedrigsten Stand gesunken, wie Dyckmans sagte. (anw)