Keyboard komponiert wie von selbst

Wissenschaftler an der Cornell University haben ein E-Piano entwickelt, bei dem der Nutzer aus wenigen Noten vergleichsweise gut klingende Melodien machen kann.

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Wissenschaftler an der Cornell University haben ein E-Piano entwickelt, bei dem der Nutzer aus wenigen Noten vergleichsweise gut klingende Melodien machen kann.

US-Forscher wollen das Musikmachen auch für Laien erleichtern: Sie haben ein elektronisches Keyboard entworfen, das Musikstücke eigenständig arrangieren kann. Dazu müssen Nutzer nur wenige Noten – genauer gesagt reichen bereits zwei – spielen und eine Stimmung ("fröhlich" oder "sanft") vorwählen, um sich anschließend ein durchaus vernünftig klingendes Musikstück komponieren zu lassen. Die Elektrotechniker Charong Chen und Siyu Zhan von der Cornell University nutzen dazu ein billiges 23-Tasten-Keyboard, eine Ziffernsteuerung für Nutzereingaben und einen daran angebundenen Mikrocontroller, in dem die Logik sitzt.

Zur Steuerung dient ein altes Telefon-Keypad.

(Bild: Cornell University)

Der Grundklang des neuen Stücks ergibt sich aus der vom Nutzer gewählten Stimmung – "fröhlich" ist ein Dur-Klang mit eher heiterem Rhythmus, "sanft" Moll und gesetzter. Aus den vom Nutzer gespielten Noten wird dann mit Hilfe einer Markowschen Wahrscheinlichkeitsmatrix die eigentliche Melodie – eine zufällige Tonfolge, die trotzdem harmoniert. Anschließend kommen noch Akkorde hinzu, die klanglich passen, aber ebenfalls zufällig gewählt sind, damit keine Monotonie auftritt. Als Klangfarbe wählten Chen und Zhan einen einfachen E-Piano-Sound.

Alternativ ist es auch möglich, den Mikrocontroller mit einer eigenen, fertigen Melodie zu trainieren. Dabei wird eine jeweils passende Wahrscheinlichkeitsmatrix generiert, die dann wiederum für Neukompositionen genutzt werden kann, die sich an den Vorgaben orientieren. So sollen quasi unendliche Klangmöglichkeiten eröffnet werden. Zur Vermeidung unschöner Melodien werden Kompositionen allerdings noch durch einen Filter geschickt: So werden große Sprünge zwischen Noten eliminiert und andere bekannte Problembereiche der Klangkunst ausgelassen. Der Nutzer kann also quasi nichts mehr falsch machen.

Die Cornell-Forscher nutzten für ihr Prototyp-System ein altes Kinder-Piano.

(Bild: Cornell University)

"Das Komponieren war schon immer eine Art verbotene Zone für Menschen, denen eine formelle Musikausbildung fehlte. Wegen der komplizierten Regeln konnte es für Amateure schwer sein, Stücke zu entwerfen, die ihrem Geschmack entsprachen", sagen Chen und Zhan. Ihr Projekt wolle dieses Problem lösen helfen.

Das Endergebnis hört sich in beiden Fällen – also der Nutzung weniger Noten und des Trainings mit einer ganzen Sequenz – durchaus akzeptabel an, wenn auch noch beileibe nicht reif für das Konzerthaus. Die generierte Musik besteht aber nur selten aus Misstönen und in immerhin 40 Prozent der Fälle waren die Melodien so gelungen, dass die Forscher sich vorstellen konnten, sie sich aufzuheben, weil sie ihnen gefielen. "Grundsätzlich arbeitet der Kompositionsalgorithmus also sehr erfolgreich", sagen Chen und Zhan.

Steuerelektronik: Die Komponenten wurden bewusst günstig gewählt.

(Bild: Cornell University)

Ob das "smarte Piano, das Musik nach Ihrem eigenen Geschmack komponiert" (O-Ton Chen und Zhan) tatsächlich eines Tages kommerzialisiert wird, ist allerdings noch unklar. Zunächst diente es als studentisches Abschlussprojekt, das in seinem Prototypstadium nicht in Serie gehen kann. Das verwendete Entwicklerboard samt Zifferntasten ist für eine Miniaturisierung nicht geeignet, auch stammt das verwendete Keyboard aus dem Fundus der Uni. Besonders viel Platz würde das Kompositionssystem allerdings nicht wegnehmen, könnte also in bestehende E-Pianos integriert werden.

Bereits jetzt erwägen die beiden Forscher Erweiterungen. So könnten sie über Prozesse aus dem maschinellen Lernen besser verstehen, was der Nutzer möchte und eine noch bessere Mustererkennung implementieren. "Wir hätten gerne, dass der Nutzer mehrere Stücke eingibt, damit das System Melodien und Akkorde besser lernen und verstehen kann", sagt Chen. "So wäre die Musik noch mehr nach dem Geschmack des Nutzers." Auch könnte man mit zusätzlichen Klangfarben experimentieren, meinen die Wissenschaftler, die ihr E-Piano derzeit mit einem eigenen FM-Synthesizer betreiben. (bsc)