Apple und Google schimpfen über Auswüchse des US-Patentsystems

Hightech-Firmen beklagen, dass das Patentwesen in den USA vom richtigen Kurs abgekommen sowie leicht von Geschäftemachern zu missbrauchen sei, und fordern rasche Abhilfen durch den Gesetzgeber und das Gerichtswesen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 82 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Hightech-Firmen beklagen weiter lautstark, dass das Patentwesen in den USA vom richtigen Kurs abgekommen sowie leicht von Geschäftemachern zu missbrauchen sei. Sie fordern daher rasche Abhilfen durch den Gesetzgeber und das Gerichtswesen. Das US-Patentsystem befinde sich in einer "Krise", erklärte Michelle Lee, Patentexpertin bei Google, Mitte der Woche auf dem Kongress AlwaysOn der Stanford University im Silicon Valley. Das US-Patentamt sei überlastet, was man an der schlechten Qualität der vergebenen gewerblichen Schutzrechte sehe. Zudem bleibe zuviel Raum für die so genannten Patent-Trolle, welche die staatlich gewährten Monopolansprüche allein für rechtliche Scharmützel ausnutzen würden. Lee bezog sich dabei konkret auf den Fall des BlackBerry-Herstellers Research in Motion (RIM), der im vergangenen Jahr nach einer langwierigen juristischen Auseinandersetzung um Patentansprüche mit dem Patentverwalter NTP einen Vergleich in Höhe von 612 Millionen US-Dollar schloss.

Apples Patentanwalt Chip Lutton wollte zwar nicht so weit gehen wie seine Kollegin von Google und bezeichnete das US-Patentsystem allgemein als "das beste in der Welt". Er räumte aber ebenfalls ein, dass in jüngster Zeit Einiges aus dem Ruder gelaufen sei. So gebe es eine "große Blase" an Patentansprüchen, aus der die Luft herausgelassen werden müsse. Die große Frage sei nur, ob eine Lösung ohne die bei überhitzten Märkten übliche Krise mit einem Absturz der gehandelten Währungen möglich sei. Am wichtigsten sei es, das Rechtssystem gegen Missbräuche des Patentwesens zu stählen.

Allein mehr Prüfer beim Patentamt anzustellen, kann für den IBM-Patentexperten David Kappos jedenfalls nicht der richtige Weg sein. Die Behörde müsse vielmehr ihren grundsätzlichen Ansatz bei der Patenterteilung ändern und neue Technologien etwa zur Öffnung des Prüfprozesses im Open-Source-Stil per "Peer-Review" einsetzen.

Einig waren sich die Vertreter der Computer- und Internetbranche, dass die Bemühungen im US-Kongress zur Reform des Patentwesens ein Schritt vorwärts seien. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass Richter Schadensersatz nur mehr auf der Basis des "spezifischen Beitrags" eines Patents zum Stand der Technik beziehungsweise zu bereits erfolgten industriellen Entwicklungen und dokumentierten gewerblichen Erfindungen ("Prior Art") festsetzen dürfen. Der Gesetzesentwurf ging den Experten in Stanford aber noch nicht weit genug. Sie forderten grundsätzliche Änderung an der Vergabepraxis des US-Patentamtes und eine Qualitätsoffensive.

Lee räumte zugleich ein, dass Google als relativer Neustarter an der Patentfront im gegenwärtigen System mehr oder weniger gezwungen sei, selbst verstärkt gewerbliche Schutzrechte auf Software und internetgestützte Dienste zu erwerben. Wenn andere Firmen mit entsprechenden Patentansprüchen "an Ihrer Tür anklopfen, wollen Sie mit etwas mehr zurückkommen als nur mit einem Scheck", führte die Vertreterin des Suchmaschinen-Primus aus. Zur Verteidigung gegen Patentklagen sei das Winken mit eigenen Schutzrechten oft sinnvoll. Patent-Trolle fokussieren sich allerdings in der Regel allein auf das Lizenzieren der begehrten Monopolansprüche, ohne eigene Produkte zu verkaufen und somit selbst für Patentklagen anfällig zu sein. (Stefan Krempl) / (vbr)