Brainshare: Schweine können fliegen

Microsofts Chief Research Officer Craig Mundie erhält auf Novells Hausmesse mehr Beifall als Novells Chief Technical Officer Jeff Jaffe, als beide die Bühne zum gemeinsamen Keynote-Chat betreten.

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Von
  • Detlef Borchers

Fünf Monate ist der Pakt zwischen Novell und Microsoft alt, da ist es an der Zeit, die Vorteile dieser Zusammenarbeit ordentlich zu feiern. 5000 treue Novell-Entwickler, die diese Woche auf der Brainshare 2007 weilen, lassen sich da nicht lumpen: Microsofts Chief Research Officer Craig Mundie erhält mehr Beifall als Novells Chief Technical Officer Jeff Jaffe, als beide die Bühne zum gemeinsamen Keynote-Chat betreten. Was dann kam, war eine brave Diskussion, in der viel von Kundenzufriedenheit und Kundenwünschen die Rede war, in der jedoch Begriffe wie "Open Source" oder "Patente" sorgfältig vermieden wurden. Am Ende fasste Diskussionsleiter John Dragoon, Chief Marketing Officer bei Novell, die Sache sichtlich zufrieden zusammen: "Ich schätze, Schweine können doch fliegen." Da hatten die Teilnehmer wenigstens etwas zum Lachen.

Wozu fliegende Schweine inspirieren können, erfuhren die Besucher der Brainshare zuvor, als sie den üblichen Konferenz-Rucksack in Empfang nehmen konnten. In ihm das übliche Konferenz-T-Shirt, in Glühbirnen-Form gepresst. Auf dem T-Shirt dann eine orange-farbene Glühbirne, in der ein orange-farbenes Hirn glimmt und das Ganze irgendwie zur Explosion bringt. Ob der Designer des ersten gemeinsamen Novell-2007-Microsoft-Shirts sich von echten Hackern hat inspirieren lassen, muss offen bleiben. Bezeichnenderweise hat bisher noch niemand diese geknitterte Hässlichkeit auf der Brainshare getragen, obwohl man damit Chancen hat, eine Xbox zu gewinnen.

Chancen auf eine Verbreitung als T-Shirt müsste eigentlich das erste wirklich gelungenen Mashup aus einer Windows-Vista-CD, einem grünen SUSE-Chamäleon, ein paar User-Püppchen und einer Dose Bulls haben, angeblich die Flüssignahrung echter Admins. Was bei einem solchen Hackerexperiment aus dem Mixer (Video) kommt, ist doch höchst anschaulich.

Das verlinkte Video begleitete übrigens die Keynote des Novell-Chefs Ron Hovsepian, der in verschiedenen Formulierungen für das Bündnis mit Microsoft warb und das Abkommen gleichzeitig als "Business as usual"darstellte. Eher ungewöhnlich war da die Aktion, die der Open-Source-Aktivist Bruce Perens in Salt Lake City veranstaltete. Perens, der das "übliche Geschäft" von Microsoft und Novell frühzeitig als Verrat gebrandmarkt hatte, wollte die Schweinefliegerei demaskieren und lud zu einer Alternativpressekonferenz in ein Hotelzimmer gegenüber dem Kongresszentrum ein. Etwa 10 von 50 Journalisten nahmen an der Veranstaltung teil. Neben den bereits bekannten Argumenten vom Verrat an den Freiheiten der Open Source, Sourcecode frei weiterzugeben und zu modifizieren, führte Perens das Argument auf, dass Novell sich mit seinen Aktionen anhübsche, um von Microsoft übernommen zu werden. Marktmäßig sei diese "Übernahme", anders als vielfach behauptet, kein Fall für die Kartellbehörden dieser Welt, da verschiedene Services rund um ein Betriebssystem angeboten werden, die von Novell nicht selbst produziert werden. Perens Vortrag stützte sich explizit auf Richard Stallmans Überlegungen zum Thema Novell, die von der Free Software Foundation (FSF) veröffentlicht wurden. Das allein ist Stoff für angeregte Diskussionen, da sich Novell als großer Sponsor der FSF sieht, was diese bestreitet.

Von der in Salt Lake City versammelten Führungsregie konterte Holger Dyroff, Novell-Vizepräsident für Produktmanagement und Marketing für SUSE Linux, die Vorhaltungen von Perens ungerührt mit der Bemerkung, dass die GPL derzeit in jeder Richtung nicht diskriminierend ist und sich Novell im legitimen Bereich bewege. "Was ist denn in den fünf Monaten nach diesem Abkommen wirklich schlechter geworden?", fragte Dyroff im Gespräch mit heise online. Seiner Ansicht nach hat Novell in der Zwischenzeit mehr quelloffene Software denn je für die diversen Projekte bereitgestellt. Dass einige Dinge proprietär bleiben müssen, liegt nach Dyroff vor allem an dem Megatrend der Virtualisierung, in dem das Abkommen zwischen Novell und Microsoft greift. paravirtualisierte Treiber könnte nur Novell bieten – und Microsoft. (Detlef Borchers) / (anw)