Weltgipfel der Informationsgesellschaft: Thema verfehlt?

Mit einiger Verspätung kritisieren die zivilgesellschaftlichen Gruppen in ihrer eigenen Abschlusserklärung zum WSIS, es habe keine Impulse für Entwicklung durch IT und für Menschenrechte gegeben.

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Von
  • Monika Ermert

Spät kommt es, doch es kommt, das Resümee zivilgesellschaftlicher Gruppen zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS). Die Organisationen, die sich unabhängig von Regierungen, Parteien und Verbänden organisiert haben, kritisieren, dass der WSIS keine echten Impulse für die Entwicklung durch den Einsatz von IT gegeben hat. Ingesamt habe der Gipfelprozess damit die an den Megaevent gestellten Erwartungen nicht erfüllt. Man sei besorgt, heißt es in der einen Monat nach dem Abschluss des Gipfels veröffentlichten Abschlusserklärung der zivilgesellschaftlichen Gruppen, dass es keine klaren Zusagen von Regierungen oder der Wirtschaft gebe, den beschlossenen Entwicklungsfonds die notwendige materielle Unterstützung zuzusichern.

Dass die zivilgesellschaftlichen Gruppen dieses Mal so lange für ihre Abschlusserklärung brauchten, habe vor allem daran gelegen, dass die Erklärung in einem globalen Online-Konsultationsprozess verfasst wurde, erklärte Ralf Bendrath, einer der federführenden Autoren der Erklärung aus Deutschland und Redakteur der WSIS2005-Plattform. Zwischendurch habe man auf französische und spanische Übersetzungen warten müssen und zudem habe es zu verschiedenen Punkten längere inhaltliche Auseinandersetzungen gegeben.

Die Frage der Finanzierung von Maßnahmen gegen den Digital Divide hätte zuallererst beantwortet werden müssen, erklärten die zivilgesellschaftlichen Gruppen nun in ihrer Erklärung. An zweiter Stelle nennen sie die Versäumnisse bei den Vorgaben zur Umsetzung grundlegender Menschenrechte in der digitalen Welt. Der Datenschutz, in der ersten Gipfelerklärung aus Genf zumindest noch erwähnt, ist aus den Tunis-Gipfeldokumenten völlig verschwunden. Stattdessen wird die Notwendigkeit des Kampfs gegen Cyberkriminalität hervorgehoben, "als wäre Privatheit eine Bedrohung der Sicherheit".

Andererseits hat sich das explizite Bekenntnis zu Rechten wie der Meinungs- und Informationsfreiheit in den Gipfeldokumenten in Genf und Tunis kaum in der Praxis bemerkbar gemacht: "diese (Rechte) werden de facto täglich verletzt", heißt es in der Erklärung. Der Gipfel habe auch dort versagt, wo es um die aktive Umsetzung und Kontrolle gehe. Die Abschlusserklärung der zivilgesellschaftlichen Gruppen macht den Vorschlag, eine unabhängige Kommission einzurichten, die nationale und internationale Informations- und Kommunikationstechnikregelungen und deren Umsetzungspraxis auf ihre Vereinbarkeit mit internationalen Menschenrechtsstandards überprüfen soll.

Wie auch bei den Regierungen auf dem WSIS war das Thema Internet Governance unter den NGOs ein heftig diskutiertes Thema. Ein Caveat legen die Organisationen beim Thema Länderhoheit über Länderadresszonen (ccTLDs) ein. So verständlich die Hoheitsansprüche seien, die ccTLDs müssten aber auch unter Wahrung grundlegender Menschenrechte betrieben werden. Der Entzug einer Adresse wegen Kritik an der Regierung – eben in Kasachstan praktiziert – dürfte davon beispielsweise nicht gedeckt sein.

Grundsätzlich begrüßt wird von den NGOs die Einrichtung des Internet Governance Forum zur Diskussion aller Fragen der Internetpolitik; sie kündigten eine engagierte Mitarbeit an. Ein vorbereitendes Treffen dafür soll schon bald in Genf stattfinden. Eine neue Arbeitsgruppe soll Vorschläge für das Forum machen, neben dem bislang mit den DNS-Aufsichtsthemen betrauten Internet Governance Caucus.

Das weitere Engagement "auf gleicher Augenhöhe" in den Gipfelfolgeprozessen ist aus Sicht der zivilgesellschaftlichen Gruppen die zentrale Aufgabe für die kommenden Monate. Auf keinen Fall will man sich mit einer beratenden Rolle abspeisen lassen. Für die künftige Akkreditierung im UN-Prozess, den man zwar für verbesserungswürdig, aber derzeit die beste aller Möglichkeiten in der globalen Politik betrachtet, fordert man mehr Unabhängigkeit von der Meinung von Einzelregierungen: So würden tunesische oder chinesische NGOs zum Teil bei der Zulassung blockiert. Für die Zukunft will sich die Zivilgesellschaft zudem eine eigene Charta geben.

Siehe zum zweiten Weltgipfel der Informationsgesellschaft auch:

Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)