Bundesregierung plant Zentraldatei der Steuerzahler

Nach der Einführung der einheitlichen Steuernummer will das Bundeskabinett nun auch eine umfassende Datenbank über die gesamte Bevölkerung aufbauen und den Steuerzahler endgültig gläsern machen.

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Was Datenschützer im Zuge der heftig umstrittenen Einführung einer einheitlichen Steuernummer seit Juli befürchteten, will die Bundesregierung nun bereits noch in diesem Jahr einführen: eine umfassende zentrale Datenbank über die gesamte Bevölkerung im Rahmen der Steuererhebung. Auf Basis des Reformansatzes für die staatliche Kassenfüllung mit dem unverfänglichen Namen "Jahressteuergesetz 2008" ist laut einem Bericht der Berliner Zeitung vorgesehen, alle für die Berechnung der Lohnsteuer relevanten Informationen in einer Zentraldatei zu speichern. Erfasst werden unter anderem Daten zum Ehepartner und zu den Kindern genauso wie zur Religionszughörigkeit sowie zu Steuerklassen und Freibeträgen.

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hat seit einem Monat begonnen, jedem Deutschen vom Baby bis zum Opa eine eindeutige Identifikationsnummer zuzuteilen. Die bislang dezentral geführten Datenbestände der rund 82 Millionen in Deutschland gemeldeten Personen aus rund 5300 Meldestellen werden gleichzeitig erstmals zentral bei der dem Bundesfinanzministerium angegliederten Behörde zusammengeführt. Ersetzt werden so die noch von Land zu Land unterschiedlich angelegten, bisherigen Steuernummern sowie von 2011 an auch die alten Lohnsteuerkarten. Ein Teil der Datensätze kann dann auch vom Arbeitgeber zur Berechnung der Lohnsteuer abgerufen werden.

Der Bundesrat hatte im Prinzip im November grünes Licht für die Einführung der neuen Kennung gegeben. Mit dem Jahressteuergesetz 2007 erhielten die Meldebehörden zum Zweck der Einführung dieser Personenkennziffer zudem die Befugnis und Aufgabe, für jeden im Melderegister gespeicherten Einwohner ein eindeutiges Kennzeichen in Form des so genannten "vorläufigen Bearbeitungsmerkmals "(VBM) zu vergeben und dieses zusammen mit den zu liefernden Datensätzen an das Bundeszentralamt zu übermitteln.

Im Juni legte das Bundesfinanzministerium dann den Referentenentwurf (PDF-Datei) für ein Jahressteuergesetz 2008 vor. Auch bei der diesjährigen Ausgabe dieses Reformrundumschlags handelt es sich laut der Kritik von Juristen wieder um ein Sammelsurium von Einzeländerungen. Fernab der ausgegebenen Zielsetzungen Bürokratieabbau, Steuervereinfachung und Rechtsbereinigung werde der Referentenentwurf von erheblichen Steuerverschärfungen dominiert.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit blieb bislang die gleichzeitige Einführung einer Zentraldatei hinter der neuen Steuer-ID. Nun will das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf bereits in seiner Sitzung am morgigen Mittwoch beschließen und der parlamentarische Beratung übergeben. Bei Datenschützern und Steuerexperten sind die Pläne aber trotz der begrüßten Ansätze zum Bürokratieabbau auf scharfe Bedenken gestoßen. "Angesichts der Menge von sensiblen Daten und den möglichen Begehrlichkeiten zu deren Abruf sehen wir noch eine Reihe von offenen datenschutzrechtlichen Fragen", sagte ein Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten der Berliner Zeitung. Mit Sorge betrachte man vor allem die Speicherung der Religionszugehörigkeit, da diese Information besonders schutzbedürftig sei.

Insbesondere eine "Ausdehnung der staatlichen Überwachung durch Datenabgleich" befürchten mehrere Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme: Mangels konkreter Regelungen sei nicht ausgeschlossen, dass andere Behörden auf die Daten der Finanzbehörde zugreifen können. Die Bundessteuerberaterkammer verwies darauf, dass die Verknüpfung der Datensätze von Ehepartnern und Kindern an zentraler Stelle völlig unnötig sei. "Da außerdem der Zugriff von Arbeitgebern aus Haftungsgründen gespeichert werden muss, entsteht eine Datenbank über das gegenwärtige und vergangene Arbeitsleben eines jeden Arbeitnehmers."

Auch der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sieht erhebliche datenschutzrechtliche Mängel und Lücken: "Es entsteht ein riesiger, in sich geschlossener Datenfundus, der für die Zwecke der Lohnsteuer allein nicht notwendig ist." Geradezu eine Frechheit sei es, dass der Steuerbürger selbst nur auf Antrag seine elektronisch gespeicherten Daten mitgeteilt bekommen soll. Datenschützer bemängeln seit längerem, dass mit der im Rahmen einer Salamitaktik vorangetriebenen Personenkennziffer (PKZ) zahlreiche "Verkettungsmöglichkeiten" persönlicher Informationen geschaffen werden. Sie warnen vor dem hohen Überwachungspotenzial der einheitlichen Steuernummer, da die damit verknüpften Daten sicher bald Begehrlichkeiten für eine Nutzung zu Zwecken jenseits der Steuererhebung wecken dürften.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)