Umstrittene Vorschläge im ITU-Entwurf für Regulierungsrahmen
Ein im Internet veröffentlichter Entwurf der neuen Internationalen Telekommunikations-Regularien der ITU kann die schlimmsten Befürchtungen zwar nicht bestätigen, dürfte aber trotzdem für reichlich Diskussionen sorgen.
Ein im Internet veröffentlichter Entwurf (PDF-Datei) für neue "International Telecommunication Regulations" (ITR) zeigt, wie zerstritten die in der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) daran beteiligten Regierungen in vielen Fragen noch sind. Mit der Veröffentlichung des Vertragsentwurfs war US-Professor Milton Mueller der ITU zuvorgekommen, die kurz zuvor mehr Informationen über die im Dezember anstehende Neufassung des internationalen Regulierungsrahmens angekündigt hatte.
Das Dokument mit dem Label TD64, das Mueller in einer "geheimnisvollen E-Mail" bekommen haben will, enthält alternative Vorschläge zu Fragen des Anwendungsbereichs der ITR und den Aufgaben von Regierungen und privaten Unternehmen, ferner zu den Definitionen von Telekommunikation und zu Abrechnung der Kommunikationsströme. Die Abwanderung von Sprachkommunikation in die Datennetze, von denen insbesondere große Netzanbieter im Westen profitieren, sehen viele Entwicklungsländer seit langem als Knackpunkt.
Nicht so recht nachvollziehbar sind anhand des Dokuments die in der vergangenen Woche geäußerten Befürchtungen, die UN wolle die Kontrolle über das Internet an sich reißen. Dennoch dürften die Ideen zu Eingriffsmöglichkeiten der Staaten ins Routing und zu einer möglichen Aufwertung der ITU-Standards durch den Völkerrechtsvertrag tiefe Sorgenfalten bei Netzbetreibern und IT-Herstellern hervorrufen. Die Routing-Eingriffe stoßen allerdings auf breiten Widerstand, versichern Beobachter. Gegen eine Gleichsetzung der ITU-Standards mit den verbindlichen Bestimmungen des Völkerrechtsvertrags gibt es schon eine Reihe von Formulierungsvorschlägen in dem Dokument.
Als falsch stellen sich auch Beteuerungen des ITU-Sekretariats heraus, Internetpolitik spiele in den ITR keinerlei Rolle. Ein brandneues Kapitel zum Thema Sicherheit oder auch die Aufforderung zur Spam-Bekämpfung durch die Mitgliedsländer sprechen eine andere Sprache. In weitgehenden und unter den 193 ITU-Mitgliedsstaaten wohl kaum konsensfähigen Vorschlägen wird gar eine Harmonisierung nationaler Gesetze in den Bereichen Cybercrime-Bekämpfung, Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung sowie Konzepte gegen Cyberattacken gefordert. Dabei will die ITU bei der Sicherheit im Cyberspace durchaus eine wichtige Rolle spielen.
Die Veröffentlichung des Entwurfs, die nach Ansicht von Mueller eigentlich Pflicht der ITU-Mitgliedsstaaten wäre, erlaubt der Öffentlichkeit einen ersten Blick auf grundlegende Vorschläge für die neuen ITR, ohne dass klar wird, wie sich die einzelnen Regierungen positionieren. Die Transparenzfrage ist damit natürlich nicht beantwortet. Allerdings kündigte eine ITU-Sprecherin an, dass die Regierungen das Thema Transparenz in einer kommenden Sitzung des ITU-Rates diskutieren wollen. Offenbar fürchtet man in Genf, sich sonst mit dem ACTA-Virus anzustecken. (vbr)