Quantenkrypto-Pionier lobt Quantenhacker

Quantenkryptografische Verschlüsselungsverfahren galten als hundertprozentig sicher – bis Hacker sie im Labor knackten. Ist also alles nur theoretische Spielerei? Nein, sagt der Quanten-Physiker Artur Ekert im Interview mit Technology Review.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 47 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Quantenkryptografische Verschlüsselungsverfahren galten als hundertprozentig sicher – bis Hacker sie im Labor knackten. Ist bei Quantenkryptografie alles nur theoretische Spielerei? Nein, sagt der Quanten-Physiker Artur Ekert im Interview mit Technology Review 6/2012 (seit kurzem am Kiosk oder direkt im Online Shop zu bestellen). "Natürlich ist Quantenkryptografie kein Rezept gegen menschliche Dummheit", sagt Ekert im TR-Interview.

Die Physiker Qin Liu und Sebastien Sauge hatten beispielsweise 2009 beim Hackerkongress 26C3 in Berlin vorgeführt, wie man das Empfangsgerät einer Quantenkrypto-Botschaft mit einem hellen Lichtstrahl so blenden kann, dass er auf einzelne Photonen nicht mehr anspricht. Durch gezielte, intensive Pulse ließ er sich danach jedoch immer noch auslösen. Damit konnten die Hacker die geheime Botschaft abfangen, mitlesen und danach dem Empfänger eine intakte Botschaft vortäuschen. Für den Hack war allerdings ein direkter, physischer Zugang zur Apparatur nötig.

"Wenn ich gute Lichtquellen habe und gute Detektoren, ist mein Schlüssel so lange sicher, bis ich dumme Fehler mache. Man darf beispielsweise nicht der ganzen Welt mitteilen, wann genau man seine Messungen durchführt. Aber da sprechen wir nicht mehr über Technologie, sondern über menschliches Verhalten", sagt Ekert. Der Wissenschaftler hat Physik und Mathematik studiert, an der Oxford University promoviert und 1991 ein eigenes Quantenkryptografie-Protokoll auf der Basis verschränkter Zustände entwickelt. Seit 2007 leitet er in Singapur das "Center for Quantum Technologies".

Im Moment würden die meisten Hacker nur "sehr einfache Sicherheitslücken" angreifen, "die vielen Wissenschaftlern durchaus bewusst sind". Das sei sehr gut, betont der Quantenforscher. "Denn für den Fall, dass Quantenkryptografie jemals kommerziell verfügbar werden soll, ist es sehr wichtig, solche Fehler zu korrigieren."

Eine Chance für die schnelle Markteinführung von Quantenkryptografie sieht Ekert allerdings nicht. "Der Grund ist im Wesentlichen, dass der Bankensektor, der sicherlich einer der wichtigsten Kunden für diese Dinge wäre, sehr konservativ ist", erklärt der Physiker. "Wenn Sie mit Leuten aus den Banken sprechen, sagen die: Nun, falls Sie irgendwann wirklich einen Quantencomputer bauen können, der unsere bisherige Verschlüsselungstechnik knackt, dann würden wir nicht zur Quantenverschlüsselung übergehen. Wir würden stattdessen einen Schritt zurück machen und vertrauenswürdige Kuriere einsetzen."

Auch das Militär komme nicht mehr zwangsläufig als Kunde für Quantenkryptografie in Betracht. "Die Ära des kalten Krieges ist vorüber", meint Ekert. "Damals haben die große Blöcke noch viel Geld in aufwendige Kryptosysteme investiert. Heute leben wir in einer Welt, wo es zwar nicht mehr so viele Feinde gibt, aber man seinen Freunden auch nicht mehr trauen kann." Einen "Nischenmarkt" für hybride Systeme, die zumindest Quanten-Komponenten verwendet, hält der Physiker aber noch immer für möglich.

  • Mehr in TR 06/2012: Wie geheim ist geheim Herr Ekert?