22C3: Hack the System

Der japanische Investor Joi Ito, der bei Organisationen wie ICANN, Creative Commons oder Technorati mitmischt, rief die Hackergemeinde zum Kampf für ein freies Netzwerk und gegen etablierte Autoritäten auf.

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Der japanische Investor Joi Ito, der bei Organisationen wie ICANN, Creative Commons oder Technorati im Aufsichtsrat sitzt, hat die Hackergemeinde auf dem 22. Chaos Communication Congress (22C3) vehement zum stärkeren Kampf für ein freies Netzwerk und gegen etablierte Autoritäten aufgerufen. "Die heutigen Revolutionen laufen über Informationen ab", verwies er auf die grundlegende Bedeutung der freien Meinungsäußerung und der effektiven Netzkommunikation für offene Gesellschaften. "Ohne offenen Zugang können wir keinen Systemwandel mehr erreichen". Ein offenes Netzwerk sei daher wichtiger für die Demokratie "als das Recht, Waffen zu tragen oder zu wählen".

Den freien "Wettbewerb der Ideen" hält Ito für erforderlich, um die Missstände heutiger Demokratien westlicher Prägung auszubessern. Es müsse dazu möglich sein, "Autoritäten ohne die Angst vor Vergeltung in Frage zu stellen". Das wichtigste Bürgerrecht sei es, seine Stimme hörbar zu machen. Dies unterscheide die Systeme in den Industriestaaten etwa noch vor den Zuständen im Iran, wo Blogger wegen ihrer Meinungsäußerungen ins Gefängnis wandern könnten. Vom Vertrauen in die Selbstregulierungskraft "freier Märkte" hält der Wagniskapitalgeber dagegen nichts, weil sie das Erstarken von Monopolen wie Microsoft oder großer Telcos befördern würden. Die Regierungen, die eigentlich als Korrektiv fungieren sollten, seien zudem von Lobbygruppen wie den Repräsentanten Hollywoods kontrolliert und daher nicht mehr wirklich funktionsfähig. Generell ermahnte Ito die versammelten Computerexperten, das politische System "zu hacken". Behörden- und Regierungsvertreter etwa bräuchten immer jemand zum Streiten und wären Argumenten auch zugänglich, man müsse dabei nur "taktisch" vorgehen.

Die schlimmsten Angriffe auf die Meinungsfreiheit und andere Grundrechte gehen laut Ito insbesondere von stärkeren Kontrolltechniken und -architekturen aus. Im Blick hat er dabei etwa die Einführung nationaler Ausweissysteme mit biometrischen Daten, Vorstöße zur Erfassung von Bürgern mithilfe der Anlage und dem Abgleich von Profilen etwa über Pflichten zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten oder die Einkerkerung von Inhalten mit Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM). Im Gegensatz zu derlei Bemühungen, die juristische Verstöße oder Verbrechen nicht verhindern könnten, machte sich der Aktivist für den Schutz der Anonymität in der digitalen Welt stark. Mit einer Art Ausweispflicht fürs Internet oder einem von Microsoft betriebenen "vertrauenswürdigen Netzwerk" könne man zwar vielleicht das Leben einer entführten Frau in Florida retten, wie es das FBI als Argument für einer schärfere Überwachung der Nutzer ins Feld führe. Die Wahrung der Anonymität rette dagegen das Leben Hunderter in Simbabwe oder Iran, die andernfalls getötet würden.

Als essenziell für das Aufblühen digitaler Demokratien erachtet Ito ferner die stärkere Unterstützung freier Software, die vom Ruf der Anti-Kommerzialität zu befreien sei. "Wir müssen mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren", betonte der umtriebige Japaner und begrüßte in diesem Zusammenhang, dass sich das französische Parlament für die Einführung einer Art "Kultur-Flatrate" für die Legalisierung von Filesharing auch urheberrechtlich geschützter Werke ausgesprochen hat. An den technischen Wurzeln des Internet votiert Ito dagegen nicht für einen Wechsel, da er der Netzverwaltung ICANN und ihrem "Konsensmodell" noch eine Chance geben will. Die Alternative sei der "Top-Down"-Prozess, für den die ITU stehe und der für die Kultur des Internet "ein großes Risiko" darstelle.

Zum 22. Chaos Communication Congress (22C3) und zur Veranstaltung 21C3 im vergangenen Jahr:

(Stefan Krempl) / (ciw)