Apps fürs Haus

Die Deutsche Telekom begibt sich in einen neuen Markt: Sie will möglichst viele Hausgeräte vernetzen – und hofft, nach Vorbild von Apples iPhone eine ganz neue Plattform für Software-Anwendungen zu begründen. Noch fehlen allerdings die Partner.

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Die Deutsche Telekom begibt sich in einen neuen Markt: Sie will möglichst viele Hausgeräte vernetzen – und hofft, nach Vorbild von Apples iPhone eine ganz neue Plattform für Software-Anwendungen zu begründen. Noch fehlen allerdings die Partner.

Was haben sich Jalousie, Fernseher, Handy, Heizung und Beleuchtung zu sagen? Bisher eher wenig, denn zwischen Unterhaltungselektronik, Telekommunikation und Haustechnik herrscht eine babylonische Verwirrung an Standards und Protokollen. Nun will die Deutsche Telekom aufräumen. Ein System namens Qivicon soll die Bereiche vernetzen, um Energie zu sparen, Sicherheit und Bequemlichkeit zu verbessern und um ältere Menschen zu unterstützen. Es soll zu einem nicht näher benannten Termin Ende des Jahres auf den Markt kommen.

Qivicon basiert auf einer kleinen Box, die prinzipiell mit praktisch allen elektronischen Geräten im Haushalt kommunizieren können soll – Steckdose, Lampe, Kühlschrank, Herd, Stereoanlage, Waschmaschine, Türöffner, Fenstersensor, Bewegungsmelder, Thermostat, Photovoltaikanlage. Per Netzwerkstecker wird das Kästchen mit dem Internet verbunden. Das bedeutet: Ein Nutzer kann von jedem internetfähigen Computer, Smartphone oder Tablet aus sämtliche angeschlossenen Hausgeräte bedienen. "Starten Sie Ihre Waschmaschine vom Büro aus, sodass die Wäsche fertig ist, wenn Sie nach Hause kommen", bewirbt die Telekom ihre Plattform.

Eine andere Anwendungsmöglichkeit ist es, "Szenarien" zu erstellen – zum Beispiel für den Urlaub: "Die Heizung fährt herunter, am Abend werden die Jalousien geschlossen und die Beleuchtung so geregelt, dass das Haus bewohnt aussieht", erläutert die Qivicon-Homepage. Ähnliches lässt sich auch für das Frühstück oder den Feierabend programmieren. "Der Fantasie sind praktisch keine Grenzen gesetzt, denn alle Qivicon-zertifizierten Geräte und Anwendungen sind untereinander kombinierbar".

Viele Beispiele für den Nutzwert der Vernetzung sind allerdings eher fantasiearm: "Kontrollieren Sie, ob Geräte ein- oder ausgeschaltet sind, und lassen Sie sich die Restlaufzeit des Geschirrspülers oder die Temperatur des Kühlschranks anzeigen", schreibt die Telekom. Oder: "Schalten Sie vor dem Zubettgehen mit einem Klick alle Stand-by-Geräte aus. Überprüfen Sie vom Sofa aus, ob Fenster und Türen geschlossen sind, und schalten Sie automatisch die Heizung herunter, sobald jemand die Fenster öffnet."

Doch braucht man dazu wirklich eine Online-Plattform? Stand-by-Geräte lassen sich schließlich auch mit einer schaltbaren Steckdosenleiste vom Netz trennen, und Heizungsregler, die auf offene Fenster reagieren, gibt es im Baumarkt schon ab 15 Euro. Was also lässt sich mit Qivicon realisieren, was bisher nicht ging? Carsten Otto, Leiter des Partner-Managements von Qivicon, weicht der Frage aus: "Der Fokus von Qivicon liegt auf dem Bau einer offenen Plattform, auf der Partner attraktive Angebote gegenüber dem Endkunden machen können." Einen vergleichbaren Ansatz habe "keiner der Wettbewerber".

Auf der Box läuft eine Java-basierte Plattform, für die Partner eigene Programme schreiben können. Welche Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Anwendungen sie darauf aufbauen und wie sie diese an Endkunden vermarkten, ist deren Sache. Die Partner zahlen für jedes Programm, das ein Endkunde auf der Qivicon-Plattform installiert, eine Gebühr an die Telekom.

Die Telekom hofft, dass auf diese Weise eine Community aus unabhängigen Entwicklern entsteht, die ihre Kreativität in das System einfließen lassen und ganz neue Ideen finden, das Orchester der Haustechnik zum Klingen zu bringen. Wenn sich die richtigen Leute begeistern lassen, könnte das tatsächlich funktionieren: Beim Handy hatte sich vor wenigen Jahren schließlich auch niemand vorstellen können, dass die eingebaute Kamera einmal zum Bezahlen dienen würde.

Klaus Scherer, Leiter des Fraunhofer inHaus-Zentrums in Duisburg, hält Qivicon für einen Schritt in die richtige Richtung: "Die Telekom hätte schon die Marktmacht, den Gordischen Knoten zu durchschlagen", sagt Scherer. "Allerdings darf sie nicht zu zögerlich rangehen. Dafür hat es in der Vergangenheit zu viele Fehlversuche gegeben." Scherer ist allerdings skeptisch, ob die Integration solch unterschiedlicher Bereiche wie Unterhaltungselektronik und Haussteuerung so einfach vonstattengeht, wie es die Telekom ("Einfach anschließen und loslegen") verspricht.

Als Carsten Otto das Qivicon-Projekt im März auf der CeBIT vorstellte, hoffte er, bis Ende des Jahres 20 bis 30 Partner zu finden. Jetzt, drei Monate später, sieht es nicht so aus, als könne er das Ziel noch erreichen: Gerade einmal sieben Partner verzeichnet die Qivicon-Webseite, darunter E.on, EnBW, Samsung und Miele. "Wenn ich mir die Liste der Partner anschaue – der große Durchbruch ist noch nicht da", meint Scherer. Derzeit laufen die ersten Tests mit einer geschlossenen Benutzergruppe.

Unterstützt werden bisher nur Geräte, die eines der beiden in der Haustechnik weit verbreiteten Funkprotokolle BidCoS und ZigBee beherrschen und die für Qivicon zertifiziert wurden. Künftig will die Telekom weitere Standards integrieren, etwa das Kabel-Protokoll KNX. Zum Marktstart Ende 2012 werde es auch ein "breites Angebot an Endgeräten" geben – verspricht zumindest die Telekom. (grh)