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Was war. Was wird.

Die Guten sterben alle jung - oder sie landen früh im Knast, da hilft auch kein Zelten in Überschwemmungsgebieten, befürchtet Hal Faber. Panik aber haben nur die anderen, vom Musikmanager bis zum Terrorbekämpfer.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ja, ja, die Guten sterben alle jung, und ich bin ein alter Sack. Aber bevor ich mir wie Amy Winehouse das Hirn wegdroge und an Unterernähung sterbe, lege ich lieber noch einmal "Back to Black" auf und warte, was all die Terror- und Cybercrime-Bekämpfer mit mir denn noch so vorhaben. Wenn schon Lörrach unter Wasser steht, ist alles möglich, auch, dass Proteste und Verfassungsklagen gegen einen doch schon vollständig durchgeplanten Präventionsstaat helfen. Oder, sagen wir es so: Lieber mit Amy Winehouse untergehen als mit Joss Stone auf dem Lady-Di-Gedenkkonzert feiern.

*** 405 – "Method not allowed" – nicht nur Amy Winehouse, auch mich hat der Alltag wieder, die große 404er-Party ist vorbei. Es gibt so viele Methoden und Dinge, die nicht erlaubt sind, wie der Besitz von Hacker-Tools oder Karies. Dann gibt es Methoden, die zwar erlaubt sind, aber selten gepflegt werden. Mancher mag jetzt gleich an die Methode denke, Musik online auch ohne DRM zu verkaufen – aber da sind Herren wie die Chefs von Universal vor, die erst einmal ausgedehnte irre Tests machen müssen, bevor sie sich an ihre Kunden herantrauen. Aber eigentlich meine ich etwas anderes, denn zu diesen Methoden gehört auch der investigative Journalismus. Da ist zum Beispiel dieses erstaunliche Sommercamp der deutschen Hackerszene. Zu ihm ist eine junge Österreicherin mit 26 Jungs angereist. Prompt knacken die Computer-Freaks Netzwerke und Herzen. So schön es ist, dass Hacker flirten können, so seltsam wirkt das Image vom CCC als Swingerclub.

*** So gehen sie hin, die Illusionen nicht nur vom Super-Sommer 2007, der ganz ohne WM die Bundesbürgern mit Sonne, Wärme und anderen Annehmlichkeiten erfreut, sondern auch von den freien Datenreisenden, die für einen kleinen Rabatt die Payback-Karte zücken. Dabei muss man sich das Sommercamp als lustiges Fest vorstellen, auf dem sich die Stämme in Dörfern organisieren, einander besuchen und kräftig feiern. Beim Spaß am Gerät ist selbiges vor allem eine Bierflasche. Frühmorgens hüpfen dann junge Hacker mit Abi-07-Shirt durchs Hackcenter und sammeln eifrig alle Flaschen auf, um mit dem Pfand von 50 Cent ihre kargen Reisekassen aufzubessern. Frühmorgens ist noch wenig los an den Tischen. Ab 8 Uhr sitzt ein 10-Jähriger da und spielt World of Warcraft, den ganzen Tag hindurch. Um ein Uhr in der Frühe kommt dann der Hackervater und holt den Jungen ab. Er ist ganz ohne Muttizettel auf dem Gelände.

*** Muttizettel dürfte es bald bei SchülerVZ geben, einer Website der Firma Holtzbrinck, die absolut kein Fettnäpfchen auslassen will. Nach der Produktion von gewollt menschenverachtendenen Werbefilmen versucht man es mit der ziemlich schwachen Nummer, völlig unbeteiligte Webseiten abzumahnen. Wie frisch und ehrlich dagegen das Geständnis, eine möglichst kontroverse Diskussion zu starten. Tja, Life is Live, sangen einstmals nicht nur die von mir verlinkten Opus, sondern passenderweise auch Laibach. Ein Medienkonzern, der sich gründlich verrennt, das hat man seit den Hitler-Tagebüchern nicht mehr erlebt. Nennen wir es Verrannt 2.0. Wenigstens muss die deutsche Geschichte nicht in großen Teilen umgeschrieben werden, was Leute bedauern werden, die "das Kampfblatt der Vernetzungsbewegung Europas" herausgegeben haben, komplett mit einem Bericht zum Geburtstag des Grödaz.

*** Überhaupt produzieren die Medien-Bobos wundersame Sachen, in heller Panik vor dem komischen Internet. Da ist Universal Music mit dem schon erwähnten seltsamsten "Tests" der jüngsten Zeit. Ein halbes Jahr lang soll es unverseuchte Songs geben und keinen Tag länger. Braucht man ein halbes Jahr zu diesem Test? Warum nicht gut christlich sieben Tage? In dieser Zeit, Ruhetag inklusive, erschuf G^tt die Erde, ganz ohne diesen Darwin. Sieben Tage lang will die ARD ihre Inhalte in einem ARD Medienportal frei online zur Verfügung stellen, danach wandern sie ab ins Archiv. Wer einmal mit dem deutschen Rundfunkarchiv zu tun hatte, weiß, dass Gotteskräfte nicht ausreichen, die Inhalte dort zu heben. In der Camp-Diskussion der ARD-Vertreterin mit ihren Online-Kunden kamen auch die großen Fragen der Menschheit zur Sprache: Wer hat keinen Fernseher mehr? Große Mehrheit. Und bei der ARD ist die Nachricht angekommen, dass sich die Welt verändert hat. In sieben Tagen oder so.

*** Heute vor 140 Jahren wurde Edith Hamilton in Dresden geboten. Auf Deutsch ist von ihr nur die Nacherzählung der klassischen Mythen erschienen, nicht jedoch "The Greek Way" und "The Roman Way", eine Form der Geschichtsschreibung, die einstmals alle Amerikaner in ihrem ersten Jahr auf der High School lesen mussten. Ausnahmslos alle großen Autoren von erfolgreichen amerikanischen TV-Serien haben ihr Handwerk bei Hamilton gelernt, Doch was soll das Lob? Wir haben ja Guido Knopp, der die Geschichte neu schreibt, bis man nicht mehr weiß, ob Bismarck ein Heringszüchter war oder ein Kornbrenner.

*** Wer vergisst, ist verdammt, die Geschichte zu wiederholen, könnte man George Orwell zusammenfassen. Wer vergessen lassen will, muss nur das Informationsfreiheitsgesetz eng wie einen Stützstrumpf auslegen. Diese einfache Lektion hat die aktuelle Regierung gut gelernt. Den neuen Anlauf, die Mautverträge einzusehen ignoriert ein Tiefensee gelassen. Gleichzeitig gibt man sich entrüstet, dass Toll Collect auf Schadensersatz klagt. Zur Erinnerung: Das ist die Firma, die den Start des Maut-Systems vollkommen vergeigte. Über den Schadensersatz an den Bund verhandeln immer noch Schlichter. Wenn beide Parteien Schadensersatz fordern, soll das Interesse an den Mautverträgen künstlich geschürt sein? Müssen wir erst darauf warten, dass Guido Knopp die geheimen Maut-Verträge verfilmt? Mit Kim "Kimble" Schmitz in der Rolle des Projektmanagers? Da lassen wir uns doch lieber im überschwemmten Lörrach zu den Klängen von Amy Winehouse beerdigen.

Was wird.

Es gibt seriöse und weniger seriöse Angebote in den Weiten des Netzes. Zu den seriöseren gehört der Ankauf von Bauanleitungen für Antigravitationsmaschinen, komplett mit der Idee, die Funktionsweise einer solchen Maschine im August als Weihnachtsvorlesung zu präsentieren. Method not allowed? Von wegen: Satte 100.000 Volt Gleichspannung sind für das Antigravitationsfahrzeug notwendig, dessen Baupläne Studenten der Uni Hannover und des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik ersteigert hatten. Am 15. August kann man bei Sat1 gucken, wie der ersteigerte Bauplan umgesetzt wurde. Um es mit Einstein zu sagen: Das Problem ist wichtiger als die Lösung.

Ich bin ein Befürworter eiserner Prinzipien. Sie krachen so schön, wenn man sie weg wirft: Über SCO wollte ich an dieser Stelle keine Worte mehr verlieren und schon gar nicht den großen Shakespeare plündern. Nun aber hat die Firma einen juristischen Fangschuss der Extraklasse kassiert. Nicht ausgeschlossen ist, dass das Ende der unendlichen Geschichte bald in Sicht kommt. Da muss Shakespeare ran, aber in einer potterisierten Version, die Darl McBride versteht: "The ghost broke off and let out an anguished wail. 'Oh God!' It was too much for Hamlet."

Auch zum Bundestrojaner wollte die Wochenschau eisern schweigen. Passati tempi: Was muss das für ein mächtiges Programm sein, wenn die sonst so gefürchteten Hacker in ihrem Camp nur von zwei Streifenpolizisten auf der Suche nach ihrer Bulette im Camp auftauchen und alles andere bequem online oder remoteforensisch bearbeitet werden kann? Ähnlich traditionell wie die Sommercamperei ist die Sommerakademie der Datenschützer, nur ohne Zelten und bulettensuchende Polizisten. Die spielen nur in einer kleinen Jazz-Combo auf, während Jörg Ziercke, der oberste Polizist Deutschlands, dem interessierten Publikum erklärt, wie das gehen soll mit dem Anschleichen und Verwanzen. Die Frage, ob eine offene Kommunikationsgesellschaft nicht im Widerspruch zur Terrorbekämpfung steht, ist freilich komisch gestellt. Vielleicht sollte man hier den modernen Shakespeare zitieren? Oder lieber – Method allowed – die Peanuts von Charles Bukowski? It began as a mistake. (Hal Faber) / (jk)