Patent-Know-how als Wachstumsmotor für Software- und Systemhäuser

Mittelständler wissen oft zu wenig über den Schutz geistigen Eigentums. Eine neue Initiative, die unter anderem von Qualcomm, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und dem europäischen Patentamt unterstützt wird, hat sich vorgenommen, das zu ändern.

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Von
  • Ariane Rüdiger

In Software- und Systemhäusern wird so manche Novität ausgetüftelt. Mal fehlt eine kleine Zusatzapplikation für eine bekannte Anwendung, mal hat jemand eine völlig neue Idee, die sich aus dem speziellen Wunsch eines Kunden ergibt. Doch selten schaffen es die typischerweise mittelständischen IT-Dienstleister, das mühselig erarbeitete geistige Eigentum auch ausreichend zu schützen. Aber nur durch entsprechende Schutzmaßnahmen wie Patente und durch Vermarktungsinitiativen – sei es in Eigenregie, sei es an Lizenznehmer – lässt sich aus dem Wissen auch Gewinn generieren.

Noch befindet sich die Patentwesen-Lernplattform L2Pro im Demo-Stadium

(Bild: L2pro)

Allerdings fehlt den meisten mittelständischen Firmen ausreichendes Wissen über die Wirren des gewerblichen Rechtsschutzes. Wann zum Beispiel ist eine Software patentwürdig? Was bedeutet neu im patentrechtlichen Sinne? Und was kann ein Unternehmen tun, wenn es entdeckt, dass die Früchte seines Erfindungsgeistes ausgespäht oder gar schon von anderen widerrechtlich genutzt werden? Ganz neue Fragen entstehen durch den rasanten technischen Fortschritt. "Wie es mit dem Schutz von geistigem Eigentum bei Embedded-Entwicklungen aussieht, ist zum Beispiel ein sehr komplexes Thema", meint Joachim Warschat, Leiter des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).

Dabei kann entsprechendes Know-how häufig für Firmen sogar überlebensnotwendig sein. "Gerade kleine Unternehmen wissen oft nicht, wie viel verwertbares Wissen in ihren Datenbanken lagert und dass es sogar ihre Existenz gefährden kann, wenn es in falsche Hände gerät. Deshalb ist Know-how-Schutz auch durch Patente notwendig", betonte anlässlich einer Veranstaltung in München Ronald Mertz, Leiter des Bereichs Information, Transport und Technologie des Bayerischen Wirtschaftsministeriums.

Eine aktuelle Initiative, die Qualcomm, ein Spezialist für Wireless-Technologie, zusammen mit anderen Akteuren ins Leben gerufen hat, soll hierzu einen Anstoß liefern. Das Projekt entstand im Rahmen von Qualcomms CSR (Corporate Social Responsibility)-Initiative, die gemeinnützige Projekte initiiert, welche Mobilitätstechnologien nutzen.

"Viele Mittelständler schützen ihr geistiges Eigentum nicht ausreichend", Ronald Mertz, Leiter des Bereichs Information, Transport und Technologie des Bayerischen Wirtschaftsministeriums

(Bild: Bayerisches Wirtschaftsministerium)

Am Projekt L2pro (Learn to protect) nehmen außerdem die Europäische Kommission, der Bereich Handel und Investitionen des Britischen Wirtschaftsministeriums, Fraunhofer IAO und das Europäische Patentamt teil. Ziel des Vorhabens: Zeit- und ortsunabhängig sowie für möglichst wenig Geld sollen Mittelständler und Multiplikatoren, die diese Zielgruppe adressieren, Wissen über den Schutz geistigen Eigentums insbesondere durch Patente erwerben. Zwar offeriert auch das Europäische Patentamt Online-Trainings, zum Teil sogar kostenlos, doch sind diese inhaltlich meist nicht auf den Mittelstand zugeschnitten und bedienen häufig Spezialklientel wie Rechercheure oder Patentanwälte. Außerdem finden viele Kurse auf Englisch statt.

"Normalerweise interessieren sich nur Mittelständler für das Thema, denen bereits wertvolles geistiges Eigentum gestohlen wurde", bedauert Derek Aberle, der als Executive Vice President bei Qualcomm für Patent- und Lizenzierungsthemen zuständig ist. "Wir möchten dazu beitragen, das zu ändern." Aberle muss es wissen: Das Geschäftsmodell von Qualcomm beruht zu einem gewichtigen Teil darauf, geistiges Eigentum gewinnbringend auszulizensieren. Kaum ein Handybauer oder Mobilnetzbetreiber kommt ohne Know-how der Firma aus. "Ohne ein funktionierendes Patentrecht hätten wir niemals so groß werden können wie wir heute sind", betont Aberle.

L2pro deckt in neun Online-Trainingseinheiten neben Kernthemen wie Patentantrag, Schutzformen etc. auch weitergehende Fragen wie Patentlizenzierung, Patentstreitigkeiten und Recherche in Patentdatenbanken ab. Dazu kommen Vor-Ort-Veranstaltungen und Online-Unterstützung durch Foren und Fachleute, die man auch mal anrufen kann. Am Schluss jedes Moduls steht ein Test aus zehn Fragen, der das hoffentlich erworbene Wissen abprüft. Die Reihenfolge der Bearbeitung richtet sich nach den Interessen der Lernenden. Man muss also nicht unbedingt mit Lektion 1 anfangen und mit Lektion 9 aufhören.

Derzeit läuft in England ein dreimonatiger Evaluierungsdurchgang mit 15 Teilnehmern, die nichts zahlen müssen. Ab September haben auch in Deutschland 15 größtenteils bereits ausgewählte Mittelständler die Chance, das System zu nutzen und durch ihr Feedback zu verbessern. Ein paar Plätze waren allerdings zum Zeitpunkt der einführenden Presseveranstaltung in München im Juni noch frei – Interessenten sollten sich bei Fraunhofer IAO melden.

Nach dem Testdurchlauf und der Einarbeitung des Feedbacks soll L2pro einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – noch weiß freilich keiner, ob das etwas kosten soll und gegebenenfalls wie viel. "Wir selbst haben kein Gewinninteresse an Projekten, die im Rahmen von Wireless Reach gestartet werden. Das gesamte Wissen und der gesamte Code gehen an die Projektpartner, die sie dann beliebig skalieren können – möglichst, ohne große Gewinne im Auge zu haben", berichtet Methew Heim, Senior Director & Counsel Government Affairs bei Qualcomm. Sprich: Aus den zunächst 15 Testnutzern dürfen später ruhig einige Hunderttausend werden. Das System ist so aufgebaut, dass es das wegsteckt, sofern Netzwerkressourcen und der Server, auf dem die Website läuft, stark genug sind.

FH IAO-Chef Warschat setzt vor allem auf Multiplikatoren wie die Industrie- und Handelskammern, um das Wissen auf der Plattform unter die Leute zu bringen. "Sie könnten Mittelständler auf die Plattform aufmerksam machen oder Kurse anbieten, die auf ihren Inhalten basieren", schlägt er vor. Daneben können sich natürlich auch Einzelunternehmen zur Nutzung anmelden. (map)