Provider laufen Sturm gegen Auskunftsansprüche bei Urheberrechtsverstößen

Laut dem Verband der deutschen Internetwirtschaft zeigt der "Kompromissvorschlag" der Rechteinhaber zur automatisierten Abfrage persönlicher Daten, die hinter IP-Adressen stecken, die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme.

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Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco verschärft seine Kritik an den im Raum stehenden Auskunftsanspruch gegen Provider. Dieser Auskunftsanspruch steht im Rahmen der Umsetzung der heftig umstrittenen EU-Richtlinie zur zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte zur Debatte. "Wenn die Rechteinhaber jetzt fordern, die vorherige richterliche Kontrolle aufzugeben und stattdessen ein automatisiertes Verfahren einzuführen, dann wollen Privatunternehmen dieselben Befugnisse wie der Staatsanwalt", kritisierte Oliver Süme, eco-Vorstand Recht und Regulierung, die zuletzt von den deutschen Phonoverbänden erneut aufgebrachten Forderungen nach der Streichung des Richtervorbehalts im Regierungsentwurf. "Damit würde die Verhältnismäßigkeit des Gesetzes völlig aus den Fugen geraten." Während für jede E-Mail-Werbung die vorherige Einwilligung des Empfängers erforderlich ist, sollten die Provider bereits dann das Fernmeldegeheimnis preisgeben, wenn der Anschlussinhaber nicht widerspricht. Dies sei völlig überzogen.

Das geplante Durchsetzungsgesetz verbessert Süme zufolge den Schutz des geistigen Eigentums generell erheblich. Es gebe den Rechteinhabern "ein weiteres effektives Mittel zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen an die Hand". Dabei gewährleiste gerade die von der Regierung vorgesehene Anforderung, dass Rechtehalter nur mit richterlicher Genehmigung Auskunftsansprüche zur Abfrage persönlicher Nutzerinformationen zu IP-Adressen stellen dürfen, "Rechtssicherheit für Provider und eine prozessuale Kontrolle". Sollte diese letzte Hürde für das informationelle Selbstbestimmungsrecht wegfallen, würde die Internetwirtschaft zur Beteiligung an einem "datenschutzrechtlich fragwürdigen, kostenintensiven Verfahren" gezwungen. Unabhängig davon sähen die Systeme der Provider die automatische Zusammenführung von IP-Adressen und Kundennamen nicht vor. Entsprechende technische Anlagen müssten erst geschaffen werden. Das dürfe keinesfalls zu Lasten der Zugangsanbieter gehen, die hier als unbeteiligte Dritte in Anspruch genommen werden sollen.

Die deutschen Phonoverbände hatten bei der Vorstellung ihrer Jahresbilanz am gestrigen Donnerstag erstmals öffentlich einen "Kompromissvorschlag" bei den umkämpften Auskunftsansprüchen ins Spiel gebracht. Demnach sollen die ertappten Nutzer selbst entscheiden, ob ihre persönlichen Daten herausgegeben von den Providern in einem automatisierten Verfahren herausgegeben werden. Wer nicht mitmacht, dürfte dabei nach Einschätzung der Musikindustrie beim Nachweis der ausgemachten Rechtsverletzung mit erheblichen Zusatzkosten zu rechnen haben.

Die umstrittene verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Auskunftsautomatik haben sich Vertreter der Rechtehalter bereits im Herbst durch ein Gutachten des Karlsruher Rechtsprofessors Jürgen Kühling bestätigen lassen. Diesem zufolge würde es sich um einen "verhältnismäßigen Eingriff" in die Grundrechte der Surfer handeln, da anders "internetspezifische Urheberrechtsverletzungen" nicht "adäquat" bekämpft werden könnten. Angesichts der möglichen "Aktivierung der richterlichen Prüfung im Fall des Widerspruchs durch den Betroffenen" sei auch dem Richtervorbehalt Genüge getan.

Der eco hält einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs zur effektiven Durchsetzung von Urheberrechten dagegen generell nicht für notwendig. Verletzungen würden Straftaten darstellen, wobei die staatlichen Ermittler schon nach bisherigem Recht einen Auskunftsanspruch gegenüber den Providern haben. Sollte dennoch ein zivilrechtlicher Informationsanspruch geschaffen werden, sei ein erheblicher Anstieg der Zahl der Auskunftsersuchen zu erwarten. Deren Bearbeitung stelle eine erhebliche Belastung für die Internetwirtschaft dar. Werde zudem noch der Richtervorbehalt aus dem Gesetz gestrichen oder ein automatisiertes Verfahren eingeführt, müsse "mit einer Flut von zusätzlichen Anfragen nach Nutzerdaten gerechnet werden". Dem könnten massenweise Abmahnungen und Schadensersatzforderungen an eine große Zahl von Surfern folgen.

Da die Provider bislang Kundendaten hinter dynamisch vergebenen IP-Adressen händisch recherchieren müssen, fordert der eco auf jeden Fall eine angemesse Kostenerstattung. Als Option neben dem vollen Ausgleich der Aufwendungen im Einzelfall schlägt der Verband eine Kostenpauschale von mindestens 250 Euro pro abgefragter IP-Adresse vor. Diese Note sei ins Gesetz aufzunehmen, um das Verfahren für alle Beteiligten zu vereinfachen und spätere Streitigkeiten zu verhindern.

Ein Dorn im Auge ist dem Verband ferner der "unklare Anwendungsbereich des im Regierungsentwurf vorgesehenen Auskunftsanspruches", der den Rechtehaltern einen zu weit reichenden Anwendungsspielraum lassen würde. Die Zugangsanbieter befürchten deshalb eine Ausuferung der Auskunftsverlangen auch in Fällen von vagen oder geringfügigen Rechtsverletzungen. Hierdurch entstünden erhebliche Rechtsunsicherheiten für die Provider selbst und ihre Kunden sowie unkalkulierbare Kostenrisiken.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in c't – Hintergrund (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)