Brüssel: Deutsches Meldegesetz widerspricht EU-Datenschutz

Die EU-Kommission zeigte sich angesichts der in letzter Minute durchgepeitschten Änderungen des Gesetzes "überrascht", dass Berlin Wirtschaftsinteressen über Grundrechte stelle. CSU-Innenexperte Uhl glaubt unterdessen weiter an das Gesetz.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 139 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Im Berliner Possenspiel um das Meldegesetz meldet sich nun auch Brüssel mit Kritik zu Wort. EU-Justizkommissarin Viviane Reding zeigte sich gegenüber der dpa überrascht, "dass einige deutsche Politiker die Profitinteressen von hiesigen Werbeunternehmen vor das Grundrecht der Bürger auf Datenschutz stellen". Reding meint, das Meldegesetz widerspreche dem Geist der europäischen Datenschutzregeln. "Wie will der Staat glaubhaft von Unternehmen wie Facebook und Google verlangen, dass sie sich an strenge Datenschutzauflagen halten, während er selbst einen Ausverkauf des Datenschutzes an die Privatwirtschaft betreibt?"

Europaflaggen vor dem Berlaymont-Gebäude

(Bild: EU-Kommission)

Unterdessen glaubt Hans-Peter Uhl (CSU) weiter an das Gesetz. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält trotz der heftigen Kritik und der Distanzierung der Bundesregierung auch die Zustimmung des Bundesrates weiter für möglich. Die Diskussion über den Bundestagsbeschluss hält Uhl für "hysterisch abstrakt". Die zunächst vorgesehene Lösung, bei der Bürger in die Weitergabe ihrer Daten ausdrücklich einwilligen sollten, sei für die Behörden nicht praktikabel, erklärte der Christsoziale am Dienstag im Deutschlandfunk. Es gehe nicht um die Werbewirtschaft, sondern um Einzelanfragen von Bürgern. Allein in München gebe es rund 100.000 derlei Ersuche pro Jahr, wenn etwa jemand für eine geplante Abiturfeier auf der Suche nach ehemaligen Mitschülern sei.

Der ursprüngliche Regierungsentwurf für das Bundesmeldegesetz sah in Paragraph 44 die Einwilligung der betroffenen Personen nur dann vor, wenn die Informationen für Werbung oder Adresshandel verwendet werden sollten. Wenn ein Bürger zu einer anderen Person eine Abfrage durchführt, hätten die Meldeämter Daten auch ohne Wissen und Erlaubnis des Betroffenen herausgeben dürfen.

Uhl hält dagegen, laut "Fachleuten aus den Einwohnermeldeämtern" müsste bei der geplanten Einwilligungs-Regelung jede Bürgerabfrage gesondert geprüft werden. Die "Massen von Daten für die Werbewirtschaft" kämen zudem nicht von den Meldebehörden, da dort jede einfache Meldeauskunft mit rund zehn Euro zu Buche schlage. "Jeder Adresshändler wäre pleite, wenn er diesen Weg beschreiten würde", betonte Uhl. "Die Menschen geben ihre Anschrift und ihre Namen massenhaft her, hunderttausendfach für Preisausschreiben, bei Rabattsystemen, und sie denken sich überhaupt nichts dabei."

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Parlaments, Wolfgang Bosbach (CDU), räumte dagegen gegenüber der Welt ein, dass den Politikern die überzeugende Begründung der Rechtsänderung bislang nicht gelungen sei. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz merkt selbstkritisch an, die Opposition hätte ihre Position im Bundestag stärker vertreten und etwa eine namentliche Abstimmung beantragen müssen. Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, lud die Union ein, möglichst rasch zur Einwilligungslösung zurückzukommen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setzt wie andere Regierungsmitglieder auf Nachbesserungen durch den Bundesrat. (vbr)