Schäubles lange Liste für weitere Ermittlungsbefugnisse

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat in einer Koalitionsrunde umfangreiche Forderungen zum Ausbau der Überwachung gestellt, die von Präventivbefugnissen für das BKA bis zu Rasterfahndungen reichen.

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Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat am Donnerstag in einer Koalitionsrunde umfangreiche Forderungen zum Ausbau der Überwachung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung gestellt, die von Präventivbefugnissen für das Bundeskriminalamt ( BKA) über Vereinfachungen beim großen Lauschangriff bis zu Rasterfahndungen reichen. Bereits aktuell verfolgte Gesetzesänderungen zum Zugriff der Ermittler auf die Maut-Daten im Lkw- Bereich sowie auf Festplatten privater PCs und Speicherplattformen im Internet über die heftig umstrittenen Online-Durchsuchungen durften auf der langen Wunschliste nicht fehlen.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums hat inzwischen bestätigt, dass es sich bei entsprechenden Berichten des Spiegels und der Welt nicht um einen verfrühten Aprilscherz gehandelt habe. Hausherr Wolfgang Schäuble wolle eine Reihe von Gesetzen überarbeiten, lautete ihre reichlich unkonkrete Auskunft.

Dem Spiegel zufolge sind die Pläne für die Nutzung der Maut-Daten zur Strafverfolgung bereits am weitesten gediehen und innerhalb der großen Koalition so gut wie abgesegnet. Ein Referentenentwurf werde Mitte April erwartet. Als weitgehend unstrittig gilt demnach auch in der SPD, dass Ermittler auf die Informationen von TollCollect zur Aufklärung besonders schwerer Verbrechen wie Mord, Totschlag oder terroristischen Anschlägen zugreifen dürfen sollen. Eine Verwendung zur Verbrechensvorbeugung würden die Sozialdemokraten aber ablehnen. Dagegen sollen vernetzte Computer voraussichtlich nur zur Gefahrenabwehr präventiv heimlich durchforstet werden dürfen, nicht zur Aufdeckung von Straftaten. Wegen fehlender gesetzlicher Grundlage hatte der Bundesgerichtshof entsprechende Online-Untersuchungen durch die Polizei Anfang des Jahres verboten. Seitdem fordern insbesondere Schäuble und das BKA die rasche Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die umkämpfte Bespitzelungsmaßnahme. SPD- Innenpolitiker stehen diesem Begehr prinzipiell nicht abgeneigt gegenüber.

Weitere Präventivbefugnisse soll das BKA bei der Telekommunikationsüberwachung allgemein sowie bei der höchstgerichtlich zurückgewiesenen Rasterfahndung erhalten. Bund und Länder hatten der Wiesbadener Polizeibehörde im Rahmen der Föderalismusreform prinzipiell die schon von Schäubles Vorgänger Otto Schily (SPD) geforderten Möglichkeiten zu Ermittlungen im Vorfeld für die Terrorabwehr eingeräumt, die jetzt in einzelnen Gesetzen umgesetzt werden sollen.

Vorbereitet wird auch eine Gesetzesänderung zum großen Lauschangriff, der nach der Novelle der rechtlichen Grundlagen für die akustische Wohnraumüberwachung aufgrund der engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung kaum noch zum Einsatz kommt. Die Union plädiert daher erneut für die Einführung des so genannten Richterband. Demnach dürften die Ermittler zunächst Gespräche komplett und automatisch aufzeichnen. Erst im Anschluss soll dann ein Richter entscheiden, was davon privat und daher zu löschen wäre. Alle anderen Fraktionen hatten diesen alten Vorstoß von CDU/CSU bislang sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat strikt abgelehnt. "In den Kernbereich darf auch ein Richter nicht eingreifen", hatte etwa Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) betont.

Nach wie vor gebe es bei der SPD hier Bedenken gegen das Mitschneiden von Privatgesprächen, heißt es in der Spiegel-Meldung. Auch beim Passgesetz gibt es Streit: Die Union will künftig die Fingerabdrücke nicht nur im Chip des biometrischen Reisepasses speichern. Die Daten sollen vielmehr zusätzlich bei den Meldeämtern hinterlegt werden. Die Genossen sehen darin aber einen verfassungswidrigen Einstieg in eine zentrale Bundesdatei biometrischer Merkmale, die von Datenschützern immer wieder zu verhindern gesucht wird.

Unter dem Eindruck einer neuen islamistischen Terrordrohung gegen Deutschland hatten Koalitionspolitiker bereits Mitte März angekündigt, sämtliche sicherheitsrelevanten Gesetze auf ihre Tauglichkeit überprüfen zu wollen. Beim Start der von Datenschützern und Oppositionspolitikern scharf kritisierten Anti-Terrordatei von Polizeien und Geheimdiensten am Freitag hatte Schäuble erneut eine Straffung des Überwachungsnetzes gerechtfertigt: die Bundesrepublik sei keine "Insel der Seligen", die Bedrohung durch den Terrorismus auch hier präsent.

Zudem philosophierte der CDU-Politiker über grundlegende Änderungen an der Sicherheitsarchitektur, durch die auch die Pfeiler des Rechtsstaates nicht ungeschoren davon kommen sollen. So müsse zunehmend unterschieden werden zwischen der repressiven Strafverfolgung und der präventiven Strafverhinderung. Letztere werde immer wichtiger, "weil die Gefahren so groß sind". Gegenüber Selbstmordattentätern sei mit dem Strafrecht nicht viel auszurichten. Hier dürfe das Unschuldsprinzip "nicht mehr so einfach" gelten und man müsse "lieber im Zweifel verhindern, dass es Todesfälle gibt". Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken, Petra Pau, hielt dagegen, dass Präventivüberwachung "der Schritt vom Rechtsstaat zum Überwachungsstaat" sei. Jeder könne ins präventive Visier geraten. "Das Volk gilt nicht mehr als souverän, sondern als kriminell. Das ist die Philosophie, und die lässt das Grundgesetz Kopf stehen."

Zu den Auseinandersetzungen um die die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terrordatei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch die Übersicht über die bisherige und die aktuelle Berichterstattung im Online-Artikel zum Start der Anti-Terrordatei:

(Stefan Krempl) / (as)