Independent Games Summit: Ressourcenmangel als kreativer Vorteil

Während die großen Studios für Fortsetzungsspiele aus dem Vollen schöpfen, müssen unabhängige Entwicklungsstudios mit knappen Geld- und Arbeitsmitteln haushalten. Gerade dieser Mangel spornt sie zu kreativen Höchstleistungen an.

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Perfektion erreicht man nicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann: Nach diesem Muster entwickeln unabhängige Programmierer spartanisch aussehende Spiele, die ihren Mangel an Ressourcen jedoch mit besonders kreativen Ideen ausgleichen. Auf dem Independent Games Summit der Game Developers Conference in Köln zeigten verschiedene Indie-Entwickler, wie ihre Spiele nicht trotz, sondern wegen ihrer Beschränkungen besondere Spielerfahrungen vermitteln.

Nach dem Vorbild von Elite kreierte Rudolf Kremer aus wenigen prozeduralen Formeln das gesamte Universum von Eufloria.

(Bild: Hartmut Gieselmann)

So griff Rudolf Kremers von Omni Systems für sein interplanetares Strategiespiel Eufloria ausschließlich auf prozedural generierte Figuren und Texturen zurück. So genügen ihm wenige Formeln, um ganze Planetensysteme mit wachsenden Bäumen und insektenförmigen Raumschiffschwärmen zu generieren. "Das spart Zeit und erlaubt schnelle Änderungen ganzer Planetensysteme, indem man nur ein paar Minuten lang an den Parametern schraubt." Vom Film Noir schaute sich Kremers das Prinzip des negativen Raums ab. Oft sieht man nur die Silhouette der Figuren vor dramatischen Hintergründen. Statt die Figuren (die einen positiven Raum einnehmen) besonders aufwendig zu gestalten, kann man auch den sie umgebenden (negativen) Raum ausschmücken, was häufig sehr dramaitsche Kontraste schafft.

Ebenso skizzenhaft lässt sich die Geschichte eines Spiels formulieren. Nach dem Vorbild des bei Comix verwendeten "Closure", das mit nur wenigen Panels ganze Geschichten im Kopf des Lesers entstehen lässt, genügten auch in Spielen oft nur wenige Stichwörter, und der Spieler formt den Rest der Geschichte selbst aus.

B.U.T.T.O.N. überlässt es den Spielern, wie sie zum Ziel kommen, auch unter körperlichem Einsatz.

(Bild: Die Gute Fabrik)

Pietro Righi Riva von Santa Ragione bevorzugt es, die Regelwerke seiner Spiele wie Fotonica oder Mirror Moon nur zu skizzieren. er formuliert nur die notwendigsten Regeln und überlässt es dem Spieler, die Freiräume mit eigenen Regeln zu füllen und zu variieren. Nach dem gleichen Muster funktionieren auch die Folk-Games des dänischen Indie-Kollektivs Die Gute Fabrik, deren Spiel B.U.T.T.O.N. Spielern kurze Aufgaben gibt. Wie sie sie erfüllen, bleibt ihnen völlig selbst überlassen. Als neuen Titel stellte Santa Ragione ihr Spiel "Street Song Game" vor, in dem der Spieler einer mysteriösen Straße folgen muss. Welchen Objekten er dabei ausweichen und welche einsammeln sollte, muss er selbst herausfinden.

Auch das britische Duo wallFour, das Event-Spiele mit Laser-Pointern in Kinosälen veranstaltet, hatte zunächst nur aus Not, weil es keinen Code für die Ablauf der einzelnen Spielphasen der 90 minütigen Sessions hatte, die einzelnen Spielelemente Live am Rechner choreographiert. Als wallFour merkte, dass diese Live-Kontrolle der Spielelemente erst den Charakter ihrer Spiels Renga ausmacht, programmierten sie sich ein Interface für Tablets, um die Parameter vom Kinosessel aus steuern zu können.

Vlambeer denken sich für ihre Spiele geheime Hintergrundgeschichten aus, um die Konsistenz zu wahren.

(Bild: Hartmut Gieselmann)

Rami Ismail und Jan Willem Nijman von Vlambeer erklärten, wie sie sich für ihre Spiele wie Super Crate Box, Yeti Hunter, Luftrauser oder das in Kürze erscheinende Gun Gods wilde Geschichten ausdenken, die sie allerdings dem Spieler nie erzählen. Sie nutzen diese Hintergrundgeschichte, um eine Konsistenz ihrer Figuren und Spiellevel zu erreichen. So achten sie auf Details im Hintergrund, die dem Spieler kaum auffallen, für ihre geheime Hintergrundgeschichte jedoch von großer Wichtigkeit sind.

Die Kasseler Entwickler von Tiny & Big stellen ihren Indie-Hit am Stand von Valve Software aus.

(Bild: Hartmut Gieselmann)

Auf der Gamescom sind derlei Indie-Besonderheiten zwischen den ganzen Blockbuster-Hütten und grellen Kriegsspielplakaten nur schwer zu entdecken. Valve Software zeigt in der Mitte von Halle 7 jedoch einige besonders gelungene Werke des Download-Vertriebs Steam. An dem spartanischen Stand können Spieler und angehende Indie-Entwickler beispielsweise mit Johannes Spohr und Christian Niemand vom Kasseler Black Pants Studio über ihren Indie-Hit Tiny & Big plaudern.

Schweden-Punk: Dennis Wedin lässt Besucher in "Hotline Miami" zu fetziger Elektromukke unterm Kopfhörer tausend Tode sterben.

(Bild: Hartmut Gieselmann)

Zwei Rechner weiter zeigt Punk-Rocker Dennis Wedin von Dennaton seinen Top-Down-Shooter "Hotline Miami", den er derzeit mit Jonatan "Cactus" Söderström entwickelt. In der verzerrten Retro-Grafik von Hotline Miami fließen Unmengen von Pixelblut, nicht zuletzt weil der Spieler selbst alle paar Sekunden stirbt. Das Spiel sei so schwer, das Spieler für die 20 Level gut und gerne sechs bis acht Stunden benötigen werden, erklärte Wedin. Bereits Ende August soll das Spiel über Steam für Windows und Mac OS X erhältlich sein -- wenn es denn den Segen der USK bekommt. (hag)