Qualcomm und Nokia legen nach

Nach Ablauf eines langjährigen Lizenzabkommens nimmt die Schärfe im Patentstreit zwischen Nokia und Qualcomm zu.

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Die Auseinandersetzung zwischen Nokia und Qualcomm nimmt an Intensität weiter zu. Seit Monaten streiten die beiden Unternehmen um Lizenzen und Patente für Mobilfunkstandards, die in den meisten Handys Verwendung finden. Ein bisher gültiges Abkommen, das Qualcomm geschätzte 450 Millionen US-Dollar jährlich einbrachte, ist am vergangenen Montag abgelaufen. Schon im Vorfeld hatte die Auseinandersetzung deutlich an Schärfe gewonnen. Die Streithähne fechten ihren Disput vor internationalen Richterbänken ebenso aus wie vor einer zunehmend konsternierten Öffentlichkeit. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass neue Vorwürfe aus den PR-Abteilungen der beiden Unternehmen auf den Redaktionstischen landen. Analysten fürchten inzwischen, dass es am Ende der wilden Schlacht noch einen Verlierer geben könne: Die Aktionäre.

Nokia hatte zuletzt versucht, mit einer freiwilligen Zahlung von rund 20 Millionen US-Dollar pro Quartal ein neues Lizenzabkommen nach finnischem Geschmack einzuführen, ohne dass das mit Qualcomm so besprochen worden wäre. Der Chiphersteller zeigte sich davon nicht beeindruckt und rief eine Schlichtungsstelle dazu auf, die fortgesetzte Nutzung der umstrittenen Techniken durch Nokia als stillschweigende Verlängerung der bestehenden Vereinbarung zu den alten Konditionen zu werten. Doch gerade das will Nokia nicht: Die Finnen erkennen durchaus an, dass Qualcomm wesentliche Patente an Kerntechnologien der CDMA- und WCDMA-Standards hält. Allerdings, so argumentiert Nokias Rechtsabteilung, seien einige der älteren Patente inzwischen ausgelaufen. Bei der neueren WCDMA-Technik, die auch in UMTS-Handys steckt, sieht sich Nokia angesichts des eigenen Patent-Portfolios besser aufgestellt und besteht daher auf neue, "faire" Konditionen.

Nokia legte in dieser Hinsicht am heutigen Freitag erneut nach und wies Aussagen zurück, nach denen Qualcomm gar keine von Nokia geschützten Techniken in seinen Produkten verwende. Seit fünfzehn Jahren trage Nokia mit seinen Patenten zu Standards wie GSM, CDMA und WCDMA bei, ließen die Finnen verlautbaren. Wenn Qualcomm standardkonforme Produkte mit diesen Techniken herstelle, brauche es dafür Zugang zu Nokias patentierten Techniken. Die Finnen schätzen, dass Qualcomm über 100 von Nokia geschützte Verfahren in seinen Chipsätzen verwendet. Mit 200 Millionen verkauften Einheiten sei Qualcomm einer der größten Anwender von Nokias Technologie.

Die 20-Millionen-Dollar-Zahlung und ihre auf mehreren Seiten ausgeführten Bedingungen hat Qualcomm inzwischen auch offiziell zurückgewiesen. Die von Nokia damit vorgeschlagene Lizenzgebühr widerspreche dem ursprünglichen Abkommen und belaufe sich "ironischerweise" nur auf ein Bruchteil dessen, was der Handyhersteller für seine Patente von anderen Unternehmen verlange, erklärte Qualcomm in einer Mitteilung.

Gleichzeitig behaupten die Kalifornier, Nokia zahle mehr für geschützte Mobilfunktechnik, als die Finnen öffentlich zugeben. Der Handyhersteller hatte erklärt, nur weniger als 3 Prozent des Verkaufserlöses entsprechender Handys für WCDMA-Lizenzen aufzuwenden, inklusive der Zahlungen an Qualcomm. Das sei "absichtlich irreführend", meint Qualcomm, allein sie würden mehr als 3 Prozent von Nokia erhalten. Sollten Nokias Zahlen dagegen stimmen, hätten die Finnen das das 2001 erneuerte Lizenzabkommen in der Vergangenheit gebrochen. Hier bietet sich offenbar ein neuer Nebenschauplatz: Qualcomm kündigte an, sich um den mutmaßlichen Vertragsbruch entsprechend kümmern zu wollen.

Unterdessen kritisiert der Analyst Tal Liani den öffentlichen Schaukampf der beiden Unternehmen im Wall Street Journal. Er würde "bevorzugen, wenn die Firmen alles unternähmen, um die Investoren aus dem Kreuzfeuer zu halten", sagte der Experte von Merril Lynch der Wirtschaftszeitung. Er rechnet damit, dass Qualcomm leicht unter steigenden Kosten leiden werde, wenn weitere Verfahren gegen den Patentinhaber eröffnet werden. Gerichtskosten sind längst eine feste Größe in den Bilanzen des Chipherstellers. (vbr)