Neue Xing-Funktion weckt Datenschutzbedenken

Seit einigen Tagen werden Xing-Nutzer über Änderungen in den Profilen ihrer Kontaktpersonen informiert. Sie können die Weitergabe über Änderungen in ihren Profilen nicht komplett abschalten.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Xing, eine Plattform für soziales Netzwerken im Business-Umfeld, hat vor wenigen Tagen eine neue Funktion eingeführt, die unter Mitgliedern für heftige Diskussionen sorgt. Sie werden seit kurzem auf ihrer Startseite von dem neuen Dienst namens "Neues aus meinem Netzwerk" begrüßt. So erfährt man beispielsweise, dass Herr Meyer an "neuen Mitarbeitern" interessiert ist und Frau Müller eine Person namens "Erika Muster" als neuen Kontakt hat. Der Newsstream wird automatisch aus den Veränderungen generiert, die Nutzer an ihrem Profil vornehmen. Die Informationen lassen sich auch über eine "Powersuche", als RSS-Feed und mobil abrufen.

Wer nicht möchte, dass andere Mitglieder von den Änderungen erfahren, kann die Freigabe von Datengruppen wie "Persönliches", "Neue Kontakte" oder Stammdaten über ein Opt-out unterbinden. Das ist jedoch nicht für alle Daten möglich. Wenn etwa die Position beziehungsweise die Firma geändert wird, können sich Premium-Mitglieder dies weiterhin über die Powersuche anzeigen lassen.

Xing-Chef Lars Hinrichs verspricht sich von dem neuen Feature eine "neue Dimension" des Netzwerkens. Für das langjährige Xing-Mitglied Michael Erner, selbst als Datenschutzbeauftragter in mehreren Unternehmen tätig, geht die neue Funktion jedoch zu weit. Er löschte prompt sein Profil und löste darüber im Xing-Datenschutz-Forum eine Diskussion aus. Auch andere langjährige Mitglieder stören sich an der Neuerung und bezeichnen sie als "Bewegungsmelder", der ein "vollständiges Protokoll des sozialen Lebens im Web" ermögliche.

Erner stört sich vor allem daran, dass fast alle Funktionen bei Xing mit Opt-out-Funktionen versehen sind. "Das Opt-out-Verfahren ist darauf ausgerichtet, dass der Nutzer sich selbst gar nicht darum kümmern muss, sein Verhalten transparent zu machen. Dies übernimmt Xing und zieht sich darauf zurück, dass die Nutzer bei Begründung ihrer Mitgliedschaft mit der Datenschutzerklärung ihr Einverständnis zu solchen Funktionen abgegeben haben." Auf diese Weise, so befüchtet Erner, könnte sich der Nutzer ohne sein aktives Zutun irgendwann im Internet oder in ihm bis dato unbekannten Datenbanken wiederfinden.

Der Hinweis von Xing darauf, dass die Datenverarbeitung und der Schutz personenbezogener Daten nach bundesdeutschem Datenschutzrecht ausgestaltet sei, sei keine Garantie dafür, dass die Daten der Nutzer immer hinsichtlich ihres Persönlichkeitsrechts geschützt seien, meint Erner. Er verweist auf Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz, die "das so genannte berechtigte Interesse der speichernden Stelle" begründen, andererseits den Aspekt der Einverständniserklärung. Damit können Daten unter bestimmten Voraussetzungen auch für Werbe- und Marketingzwecke verwendet oder an Dritte weitergegeben werden. "Die Wenigsten wissen, dass man bei einer Vertragsgestaltung, einem Einkauf im Internet oder einem Zeitschriftenabo explizit darauf hinweisen muss, dass man nicht mit einer Verwendung der eigenen Daten zu anderen Zwecken einverstanden ist", erläutert Erner

Hinrichs teilte hingegen über einen Blog-Kommentar mit, dass Xing mit dem neuen Feature einen "neuen absoluten All-Time-High-Rekord an Pageviews" erreichen konnte. Laut Statistik würden sich nahezu alle Mitglieder über die Neuerung "sehr freuen". "Fast niemand" habe bislang den eigenen Newsfeed abgeschaltet oder beschränkt. Allerdings hatte Xing lediglich in einer Pressemitteilung auf die Neuerung hingewiesen. Die Mitglieder wurden nicht persönlich angeschrieben..

Vor über einem Jahr musste Facebook-Chef Mark Zuckerberg eine schwere Schlappe einstecken, als er über Nacht einen ähnlich ausgerichteten "News-Feed" einführte, der Mitglieder automatisch über Profil- und Kontaktänderungen informierte. Ändern oder abschalten ließ sich der Feed damals, anders als das neue Xing-Feature, nicht. Später machte Facebook nach Nutzer-Protesten einen Rückzieher. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (anw)