WLAN-Mesh als Notfunknetz

Forscher der TU Darmstadt schlagen vor, die allgegenwärtigen WLAN-Router mit einer für die BOS-Dienste ("Behörden und Organsisationen mit Sicherheitsaufgaben") reservierten, vom Heimnetz abgetrennten Funkzelle auszustatten.

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Wie andernorts ballen sich auch in Darmstadt die WLAN-Router klumpenartig, meist wohl in Wohngebäuden.

(Bild: Panitzek et al.)

Mit einer Wardriving-Aktion untersuchten Forscher der TU Darmstadt, wie sich WLAN-Router in einem 0,5 km2 großen Block der Heimatstadt verteilen. Dabei erfassten Kamill Panitzek, Immanuel Schweizer, Max Mühlhäuser und Kollegen die periodisch ausgesandten Anwesenheitssignale (Beacons) und bestimmten die ungefähre Position jeder der 1971 gefundenen WLAN-Zellen mittels Multilateration. Es ergab sich, dass die Zelldichte hoch genug ist, ein vermaschtes Funknetz (WLAN-Mesh) zu bilden, bei dem die Router Daten per Funk untereinander statt über das kabelgebundene Breitband-Netz weiterleiten.

Wenn man nun die allgegenwärtigen WLAN-Router mit einer erweiterten Firmware ausstattet, damit sie parallel zum vorhandenen internen Funknetz per Multi-SSID eine zweite, logisch getrennte WLAN-Zelle aufspannen, bekämen Ersthelfer bei Großunfällen oder Katastrophen einen zusätzlichen Kommunikationsweg. Dieses Detail beherrschen zahlreiche WLAN-Router mit ihren Gastnetzen zwar schon heute. Für den Notfunkeinsatz wäre aber erst noch die Mesh-Technik zu implementieren.

Bei der praktischen Umsetzung lauern weitere Hindernisse: Wenn schon das für die Ersthelfer vorgesehene Tetra-Netz ausgefallen ist, darf man auch Probleme bei der Stromversorgung annehmen. Die Mehrheit der WLAN-Routerbesitzer wird aber kaum freiwillig ein neues Gerät mit integriertem Akku kaufen (und den alle paar Jahre tauschen), damit der WLAN-Notfunk gegen Ausfall des Stromnetzes zumindest für einige Stunden gewappnet ist.

Dennoch gibt der Aufsatz einige interessante Aufschlüsse über die Eigenschaften von WLAN-Mesh-Netzen in Innenstädten. Die Autoren halten eine Kommunikationsdistanz von 30 Metern für machbar. Im untersuchten Gebiet waren damit nur 2 Prozent aller Router unerreichbar. Jeder Knoten hatte im Schnitt 10 Nachbarn, was ein gegen Ausfälle einzelner Router weitgehend robustes Netz ergibt, das aus ungefähr 50 isolierten Teilnetzen (Cluster) besteht. Der größte Cluster bestand aus immerhin 71 Prozent aller Knoten. Um Flächendeckung zu erreichen, müssen die Cluster über andere Wege gekoppelt werden. Ist das Internet per Breitbandanschluss ausgefallen, könnten das zusätzliche Knoten sein, die die Ersthelfer mitbringen und aufstellen.

Die Darmstädter Forscher halten eine Kommunikationsdistanz zwischen den Knoten von 30 Metern für machbar. Damit wären im Beispiel nur 2 Prozent aller Router isoliert.

(Bild: Panitzek et al.)

Aus diesem Gesamtnetz konnten die Forscher nun rechnerisch rund ein Sechstel der am besten vernetzten Knoten (Hubs) entfernen, ohne dass die Clusterzahl zunahm und sich damit die Netztopologie signifikant änderte. Bei optimistischen 60 Metern Kommunikationsdistanz kletterte die Nachbarzahl auf knapp 36, was zwar eine noch höhere Reißfestigkeit ergibt, aber auch zu größeren Mesh-Routing-Tabellen führt. Umgekehrt führten in der Untersuchung kleinere Distanzen zu erheblich höheren Clusterzahlen. Bei lediglich 10 Metern ergaben sich rund 800 Teilnetze.

Panitzek und Kollegen stellten bei ihrer Wardriving-Aktion übrigens fest, dass von den 1971 WLAN-Zellen 65 mit einer Locally-Administered-MAC-Adresse funkten, also bereits Teil eines Multi-SSID-Systems waren. Wieviele Zellen davon zu bestehenden Community-Netzen wie Freifunk oder FON gehören, ließ sich nicht klären, da die Funknetznamen (ESSID) nicht aufgezeichnet wurden. 212 Zellen funkten jedenfalls ohne Verschlüsselung, 129 liefen mit dem unsicheren WEP. Der Rest bot WPA, WPA2 oder beides gleichzeitig an (ea)