USA: Nutzung von Thorium soll strahlenden Müll reduzieren [Update]

Mehrere Senatoren aus Bundesstaaten mit geplanten Endlagern fordern die Forschung an einem Ersatz für Uran als zentralem Kernbrennstoff. Eine Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters sorgt derweil hierzulande für aufgeregte Diskussionen.

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Senatoren aus mehreren westlichen Bundesstaaten der USA, darunter Orrin Hatch aus Utah und Mehrheitsführer Harry Reid aus Nevada, arbeiten an einem neuen Gesetz, um die Verwendung von Thorium im Nuklearbereich voranzutreiben. Die Politiker halten den Kernbrennstoff für eine sauberere Alternative zur bestehenden Uran-Technologie – mit dem Potenzial, die Kosten für stark strahlenden Atommüll zu halbieren, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

Die Verwendung von Thorium in bestehenden Reaktoren würde zumindest theoretisch ermöglichen, dass der Atombrennstoff, wie heute in den meisten Ländern praktiziert, nicht nur einmal verwendet wird: In den meisten AKWs werden zurzeit Brennstoffe aus Urandioxid oder Uranoxid plus Plutoniumoxid (MOX) verwendet, Isotop ist U235. Als "Endprodukt" verbleibt nach der Verbrennung eine hochgradig radioaktive Mischung aus Spaltprodukten, darunter Plutonium, das für den Bau von Atombomben verwendet werden kann. Diese Spaltprodukte lähmen zudem die Kettenreaktion, was einen Ersatz des Brennstoffes alle ein bis zwei Jahre notwendig macht. Das verbrauchte Material wird dementsprechend regelmäßig entnommen und dann zunächst vor Ort gelagert, bevor es endlich Richtung Endlager gehen kann – sollte ein solches existieren.

Die Thorium-Technik wurde vom inzwischen verstorbenen Atomwissenschaftler Alvin Radkowsky entwickelt. Seine Idee setzt sowohl auf Thorium als auch auf Uran, was sie zumindest vordergründig komplexer machte. Der Ansatz führt jedoch dazu, dass der größte Teil des Atombrennstoffes länger im Reaktor verbleibt und der Müll dadurch weniger gefährlich ist, sagen Experten. Jedes Brennelement enthält dazu eine Mischung aus zwei verschiedenen Brennstäben. Die Mehrzahl besteht aus Thoriumoxid-Pellets. Thorium kann für sich genommen keine Kettenreaktion aufrechterhalten, wie dies U235 beherrscht, doch es kann Neutronen absorbieren, um ein anderes spaltbares Uranisotop zu bilden: U233. Der restliche Anteil des Brennelements neben Thorium ist daher zur Versorgung mit diesen Neutronen gedacht – er besteht aus festen Legierungen aus Zirconium und spaltbarem U235.

Laut Thorium Power, einem der Hauptentwickler der Technologie in den USA, sind diese Hybrid-Brennelemente explizit dafür entwickelt, die aktuell verwendeten Uranoxid-Modelle in Druckwasserreaktoren zu ersetzen. Das ist der weltweit am häufigsten verwendete Reaktortyp. Bei diesem wären nur minimale Anpassungen notwendig, sagt die Firma. Die wichtigste: Es müssen präzisere Kräne eingebaut werden, die es erlauben, die Uranbrennstäbe separat zu entnehmen. Genau das sei ein zentraler Punkt bei der Müllreduktion, weil der größte Teil des Brennelements, das Thorium, neun Jahre lang im Reaktorkern verbleibt. Die Uranbrennstäbe müssten allerdings genauso wie ihre konventionelle Version öfter ausgetauscht werden.

[Update]:
Eine Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters hat unterdessen in Deutschland für eine heftige Diskussion um die Zukunft der Kernkraft gesorgt. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer forderte die beschleunigte Abschaltung der ältesten Atomkraftwerke. Es seien zwar noch nicht alle Fragen beantwortet, dennoch handele "völlig verantwortungslos", wer für einen längeren Betrieb von Atomkraftwerken oder gar den Neubau eintrete. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verlangte mehr Tempo beim Atomausstieg. Das Deutsche Atomforum sieht in der Studie dagegen "keine neuen Erkenntnisse.

Die so genannte KiKK-Studie (Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken) wurde ab 2003 am Deutschen Kinderkrebsregister am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) der Universität in Mainz durchgeführt. Dabei verglichen die Wissenschaftler die Daten von Kindern unter fünf Jahren, die in der Umgebung von Kernkraftwerken gelebt hatten, als sie an Krebs erkrankten, mit denen von Kindern aus denselben Regionen, die nicht an Krebs erkrankt waren. Dabei habe sich herausgestellt, schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz, dass in diesem Zeitraum im Umkreis von 5 Kilometern um ein Atomkraftwerk 37 Kinder neu an Leukämie erkrankt seien. Im statistischen Durchschnitt wären jedoch nur 17 Fälle zu erwarten gewesen.

Die Wirkung niedriger Strahlendosen – insbesondere ihre Rolle bei der Entstehung von Krebs – ist bislang wissenschaftlich nicht restlos erklärt. Geht man von davon aus, dass ein durch die Strahlung verursachter Schaden rein statistisch auftritt, müsste diese Wahrscheinlichkeit eigentlich linear mit dem Abstand von der Strahlenquelle sinken. "So kommt nach dem heutigen Wissensstand Strahlung, die von Kernkraftwerken im Normalbetrieb ausgeht, als Ursache für die beobachtete Risikoerhöhung nicht in Betracht", schreiben die Autoren. "Denkbar wäre, dass bis jetzt noch unbekannte Faktoren beteiligt sind oder dass es sich doch um Zufall handelt."

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(bsc)