Wien plant Glasfaser für jeden Haushalt

Wien möchte jedem Haushalt und jedem Unternehmen einen Glasfaseranschluss anbieten, ohne auf Subventionen aus der Steuerkasse zurückzugreifen.

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Wien möchte jedem Haushalt und jedem Unternehmen einen Glasfaseranschluss anbieten, ohne auf Subventionen aus der Steuerkasse zurückzugreifen. Die Bauarbeiten für ein Pilotprojekt mit 50.000 Haushalten könnten bereits im Februar starten, die ersten Haushalte sollen im Mai oder Juni angeschlossen werden. Zunächst werden noch nicht feststehende Gebiete in Transdanubien (21. und 22. Bezirk) erschlossen. Verhandlungen mit wesentlichen Liegenschaftseigentümern sind schon im Laufen. Zunächst wird mit IPv4 gearbeitet, die Infrastruktur soll aber schon für IPv6 vorbereitet sein.

Eine zweite Ausbaustufe, die bereits in Planung ist, sieht weitere 250.000 Anschlüsse vor. Im Endausbau sollen alle 960.000 Haushalte und zirka 70.000 kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) mit je 1 Gbit/s symmetrischer Bandbreite angeschlossen werden können. Damit würde Wien wieder zur Breitband-Hauptstadt der Welt werden – eine Position, die die österreichische Bundeshauptstadt durch die Offerten des Kabel-TV-Betreibers UPC bereits in der zweiten der Hälfte der 90er Jahre innehatte (siehe dazu auch c't 3/06, S. 120).

Das ehrgeizige Projekt ist eine Kooperation der Stadt Wien mit ihren Tochterunternehmen Wienstrom und Wienkanal. Sie betonen, kein neues Monopol errichten, sondern das Netz als "Open Access Platform" allen Service-Providern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen zu wollen. Dabei muss es sich nicht um klassische Internet-Service-Provider (ISP) handeln, es sollen auch andere Dienste etwa im Gesundheitsbereich angeboten werden. Zu einer Wiederbelebung des 2002 gestarteten Pilotprojekts Blizznet, das bis heute etwa 5.000 Haushalte vorwiegend am Leberberg nutzen, wird es also nicht kommen. Nur solange keine Kooperationsverträge mit ISP bestehen, könnte die Wienstrom auch selbst Dienste wie zum Beispiel Internetzugang anbieten. Danach soll es nur noch Services in Zusammenhang mit dem Kerngeschäft Stromlieferung geben.

Die ISPA (Internet Service Provider Association Austria) unterstützt nach anfänglich großen Bedenken den Ausbau der Infrastruktur, ist aber noch skeptisch was Kosten und Finanzierung angeht. Hinzu kommen Bedenken über die Details der offenen Plattform. Sowohl ISPA als auch die Stadt Wien sehen in bandbreitenhungrigen Inhalten und Diensten den Knackpunkt – ohne diese würde nur wenige Nutzer Bedarf nach einem Glasfaseranschluss haben. "Die großen Rechtehinhaber haben aber Angst und blockieren weltweit. Verlorene Umsätze in Österreich sind ihnen egal", bedauert ISPA-Generalsekretär Kurt Einzinger.

Die Stadt Wien hat niemand Geringeren als den letzten ORF-Generalintendanten Gerhard Weis als Berater engagiert. "Wir werden mir großem Nachdruck in die Content-Produktion gehen", sagte Weis gegenüber heise online. "Es reicht sicher nicht, einfach die Zahl der TV-Kanäle zu verdoppeln." Da das Glasfasernetz hohe symmetrische Bandbreiten biete und durch bessere Adressierbarkeit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ermögliche, seien andere Dienste möglich als in Kupfernetzen. Wienstrom führt bereits Verhandlungen mit Service- und Content-Partnern. Der Elektrizitätsversorger lädt auch alle Eigentümer von Glasfaser-Leitungen, die ihre Infrastruktur in das Projekt einbringen möchten, ein, Kontakt aufzunehmen. Gespräche gibt es derzeit mit der Telekom und UPC.

Derzeit kann auf 1.600 Kilometer Glasfaserkabel und 2.200 Kilometer Leerrohre zurückgegriffen werden. Insbesondere der Cablerunner soll im weiteren Netzausbau viel Geld sparen, indem auch kleinere Abwasserkanäle zur Leitungsverlegung genutzt werden. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)