Urheberrechtsnovelle entzweit weiter die Gemüter

Bei einer Anhörung zur zweiten Stufe der Urheberrechtsreform waren vor allem die Punkte Privatkopie, Vergütungspauschale, Wissenschaftsversorgung und Bagatellklausel heftig umstritten.

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Bei einer Anhörung des Bundesjustizministeriums zur zweiten Stufe der Urheberrechtsreform am heutigen Donnerstag in Berlin zeigte sich erneut, dass die geplante Novelle auch nach der Ruhepause bei dem Gesetzgebungsverfahren auf Grund der Neuwahlen heftig umkämpft ist. Frontal aufeinander prallten bei dem rhetorischen Schlagabtausch insbesondere Vertreter der Verwerter – etwa vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, vom Verband der Filmverleiher und anderen Lobbygruppen der Filmindustrie oder den Deutschen Phonoverbänden – mit Abgesandten des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, der Nutzerinitiative Privatkopie.net oder dem wissenschaftlichen Urheberrechtsbündnis. Beide Seiten betonten immer wieder, mit dem leicht überarbeiteten Kabinettsentwurf noch nicht leben zu können.

Im Prinzip unterschiedlich sind schon die Vorstellungen von der Wissensgesellschaft, für die der so genannte 2. Korb der Urheberrechtsnovelle die Weichen stellen soll. Die Verwerter-Lobby pocht darauf, Wissen als zentrale Ware der Informationsgesellschaft zu definieren. Rainer Kuhlen, Informationswissenschaftler an der Universität Konstanz und Sprecher des Urheberrechtsbündnisses, verwies dagegen auf einen unabdinglichen fairen Zugang zum Wissen. Die geforderten einfacheren Möglichkeiten zur Verteilung von Fachinformationen über Bibliotheken auch auf elektronischem Wege lehnte der Börsenverein allerdings strikt als "Abschaffung des Urheberrechts im Bildungsbereich" ab.

Eine hitzige Diskussion löste erwartungsgemäß die vom Justizministerium vorgeschlagene Regelung aus, wonach das Herunterladen für den privaten Gebrauch erstellter Kopien aus dem Internet "in geringer Zahl" straffrei bleiben soll. Beifall gab es aus der Ecke der Verwerter für den Widerstand, den Kulturstaatsminister Bernd Neumann gegen diese Bagatellklausel ankündigte. Sollte sie trotzdem kommen, rechnet die Filmwirtschaft mit gravierenden Einnahmeeinbußen. Unterstützung erhielten sie im Anschluss an die Anhörung von Günter Krings, Experte für geistiges Eigentum der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und dem Vorsitzender des Dialogforums Musikwirtschaft der CDU Deutschland, Steffen Kampeter: Ihnen zufolge würde die Bagatellklausel einen "Fremdkörper" in der Novelle darstellen, da diese generell "von einer Stärkung der Rechte des Urhebers" beziehungsweise der Verwerter geprägt sei. Der Schutz geistigen Eigentums sollte nicht geschmälert werden, fordern die beiden Unionspolitiker: "Es darf keine unterschiedliche Wertung zwischen dem Diebstahl eines Kaugummis und einer Raubkopie geben."

Hoch schlugen die Wellen bei der Anhörung zudem bei den geplanten Änderungen in der Festsetzung der Pauschale zur Entschädigung der Urheber für Privatkopien. Die Branchenverbände Bitkom und Business Software Alliance (BSA) begrüßten die geplante Begrenzung der Abgabenhöhe auf fünf Prozent vom durchschnittlichen Geräte- oder Leermedienpreis. Vertreter von Verwertungsgesellschaften fürchteten dagegen eine "kalte Enteignung" der Urheber und drohten mit Verfassungsklagen. Oliver Moldenhauer vom Fairsharing-Netzwerk beklagt dagegen, dass mit der erwogenen Deckelung bei der Urheberrechtsabgabe der "Druck in Richtung Digital Rights Management steigt". Moldenhauer fordert stattdessen gerade eine "Ausweitung des Pauschalvergütungsanspruches für das digitale Zeitalter", wie sie hierzulande unter dem Stichwort Kulturflatrate debattiert wird und in Frankreich vom Parlament in einer ersten Abstimmung zur dortigen Urheberrechtsnovelle zunächst für gut befunden wurde.

Scharfe Kritik kommt auch von Markus Beckedahl von Privatkopie.net, der die Veranstaltung im Blog Netzpolitik.org dokumentiert hat. Gegenüber heise online zog er als Resümee, dass der Entwurf von seinem eigentlichen Ziel der Modernisierung des Urheberrechts "noch weit entfernt ist". Er trage den veränderten gesellschaftlichen Realitäten nicht Rechnung, dass Verbraucher die notwendige Technik zum Kopieren von digitalen Inhalten nun einmal "besitzen und auch benutzen". Beckedahl fordert daher "eine Stärkung der Verbraucherrechte durch ein durchsetzungsfähiges Recht auf die Privatkopie" auch gegen Kopierschutztechniken, was in der aktuellen Debatte aber "leider kaum eine Rolle spielt". Justizministerin Brigitte Zypries spricht dagegen von einem "fairen Interessenausgleich zwischen den Kreativen, den Verwertern, der Geräteindustrie, den Nutzern sowie dem Kulturbetrieb und der Wissenschaft".

Zu den Diskussionen und juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)