Kritik an Wahlmaschinen-Prüfung in Florida

Das Rätselraten um den Verlust von mehr als 18.000 elektronischen Wählerstimmen in Sarasota County bei den Kongresswahlen im November 2006 geht weiter. Wissenschaftler werfen Floridas Innenminister vor, die Aufklärung nur halbherzig betrieben zu haben.

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Von
  • Richard Sietmann

In dem Rätselraten um den Verbleib von rund 18.000 Wählerstimmen an Touchscreen-Wahlcomputern im Landkreis Sarasota werfen die Informatiker David Dill von der kalifornischen Stanford University und Dan Wallach von der Rice University in Texas dem Innenminister Floridas vor, die Aufklärung nur halbherzig betrieben und bislang keine schlüssige Erklärung hervorgebracht zu haben.

Bei der Kongresswahl am 7. November 2006 war es in dem Rennen zwischen der Demokratin Christine Jennings und dem Republikaner Vern Buchanan um den Sitz im US-Repräsentantenhaus zu merkwürdigen Abweichungen gekommen. Mehr als 18 000 Wähler, rund 13 Prozent, hatten in diesem Teil der Wahl scheinbar keine Stimme abgegeben, obwohl sie in den gleichzeitig durchgeführten Senats- und Governeurswahlen ihren Willen klar zum Ausdruck brachten. Für eine bewusste Enthaltung in dieser Größenordnung gab es keine plausiblen Gründe, denn die Enthaltungsquote war mehr als fünfmal so hoch wie bei den Briefwählern in Sarasota und wie bei den Wählern in den unmittelbar benachbarten Landkreisen. Nach der amtlichen Zählung gewann Buchanan die Wahl mit einem Vorsprung von nur 369 Stimmen.

Zugleich hatten sich jedoch zahlreiche Wähler über Schwierigkeiten mit der Stimmabgabe an den Touchscreens der iVotronic-Wahlcomputer von ES&S beschwert; einige behaupteten sogar, dass die Wahlvorschläge für das Repräsentantenhaus überhaupt nicht angezeigt worden waren. Floridas Innenminister Kurt Browning ließ daraufhin mit zehn Geräten eine Testwahl durchführen und den Quellcode der Wahlsoftware von Wissenschaftlern des Security and Assurance in Information Technology (SAIT) Lab der Florida State University inspizieren. Im Ergebnis, ließ er dann in einer knappen Erklärung verlauten, hätten die Untersuchungen keinen Hinweis ergeben, dass das amtliche Wahlergebnis in Sarasota County fehlerhaft sei.

Die mit Mitarbeitern des Ministeriums simulierte Wahl hätte unter Bedingungen stattgefunden, die mit denen einer echten Wahl nicht vergleichbar seien, und sich auf die Prüfung beschränkt, ob das System die im letzten Bedienschritt angezeigte Bildschirmmaske korrekt abspeichere, monieren Dill und Wallach in ihrem Paper. Der kritische Schritt zuvor, ob die Touchscreens die Eingaben des Wählers korrekt registrieren, sei dagegen nicht untersucht worden. Auch die vorgenommene Inspektion des Quellcodes halten die beiden Wissenschaftler für Augenwischerei. Das sei etwa so, als ob man über die Ursachen eines Gebäudeinsturzes allein anhand der Bauzeichnungen entscheiden wollte. Für eine ernsthafte Analyse hätten die interne Dokumentation und das Bug Tracking System des Herstellers herangezogen werden müssen.

Über die Wahlanfechtungsklage der nach dem amtlichen Endergebnis unterlegenen Demokratin haben Floridas Gerichte noch nicht entschieden. In Washington setzte der von den Demokraten geführte Innenausschuss des US-Repräsentantenhauses im vergangenen Monat zur Aufklärung der Vorgänge in Sarasota eine Task Force ein. Die erste Anhörung am Dienstag dieser Woche fand allerdings ohne die Republikaner statt. Mit der Begründung, man wolle das Wahlanfechtungsverfahren in Florida nicht beeinflussen, weigert sich der Fraktionsvorstand bislang, Vertreter in die Task Force zu entsenden. (Richard Sietmann) / (pmz)