Professoren schlagen Alarm wegen der Urheberrechtsnovelle

Zahlreiche Lehrstuhlinhaber aus dem Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" haben sich bei der Bundesregierung und Abgeordneten gegen die Kommerzialisierung von Wissen stark gemacht.

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Zahlreiche Professoren aus dem Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" haben sich bei der Bundesregierung und beim Bundestag gegen die Kommerzialisierung von Wissen, das mit öffentlichen Mitteln erzeugt wurde, im Rahmen der geplanten weiteren Novelle des Urheberrechtsgesetzes stark gemacht. In Briefen an Ministerien und Abgeordnete schließen sich die Lehrstuhlinhaber der Sorge der Allianz der Wissenschaftsorganisationen an, dass mit den Plänen für den so genannten 2. Korb der Urheberrechtsreform "die Kooperation von Wissenschaftlern über die Datennetze erheblich erschwert, die wissenschaftliche Erforschung insbesondere audiovisueller Dokumente massiv behindert und die schon in der letzten Zeit dramatisch gestiegenen Kosten für die Bereitstellung und Nutzung digitaler Informationsmaterialien für Bildung und Wissenschaft weiterhin erheblich steigen werden". Die Professoren fordern daher, endlich im Einklang mit dem Koalitionsvertrag ein "bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht zu schaffen".

Konkret äußern die Wissenschaftler in ihren Schreiben im Vorfeld eines Treffens der Berichterstatter im Bundestag zu der bald vor der Verabschiedung stehenden Gesetzesnovelle die Sorge, dass der für Forschung und Lehre unabdingbare elektronische Zugriff auf das publizierte und mit Steuergeldern erstellte Wissen durch neue Normvorschriften erheblich behindert werde. Die Politik sei dabei, den Verlagen ohne Not ein weitgehendes Monopol für die elektronische Dokumentlieferung zuzugestehen. Wenn sich jedoch Wissenschaftler, Lehrer und Studierende die benötigten Artikel über den Markt "mit den kommerziellen Hochpreisangeboten der internationalen Verlagswirtschaft" einkaufen müssten und die Bibliotheken von den elektronischen Dokumenten ausgeschlossen würden, bestehe die Gefahr, dass auf die Nutzung wichtiger Texte verzichtet wird.

Stein des Anstoßes ist zum einen die vorgesehene Regelung in Paragraph 52b Urheberrechtsgesetz, wonach die elektronischen Bestände von Bibliotheken nur in deren Räumen eingesehen werden könnten. Es dürfe nicht sein, schreiben die Professoren im Anklang an ältere Forderungen des Aktionsbündnisses, dass angesichts der flächendeckend vorhandenen technischen Infrastruktur in den Hochschulen die Menschen zur Information gehen müssten. Vielmehr sei eine Regelung zu finden, wonach die elektronischen Bestände von allen Rechnern und Terminals der jeweiligen Hochschule campusweit abgerufen werden könnten.

Als "skandalös" bezeichnen es die Wissenschaftler unter Berufung auf den Direktor des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Reto Hilty, dass der Entwurf den Verlagen quasi einen "Heimatschutz" zubillige. Bibliotheken dürften gemäß der Pläne überhaupt keine elektronischen Dokumente mehr versenden, falls Verlage mit entsprechenden, letztlich staatlich subventionierten Informationsprodukten auf den Markt treten. Digitalisieren und elektronisch versenden dürften Bibliotheken nicht einmal verwaiste oder vergriffene Werke, deren Urheber also nicht mehr ausgemacht werden können oder die die Verlage nicht mehr neu auflegen.

Die Professoren fordern die Parlamentarier weiter auf, auch im Urheberrecht die Weichen zu stellen, um das öffentlich produzierte Wissen nach "Open Access"-Prinzipien allen Interessierten frei zur Verfügung zu stellen. Leider habe die Regierung bislang nicht die Forderung des Bundesrates aufgegriffen, dass spätestens nach einem halben Jahr der kommerziellen Publikation eines Artikels das Nutzungsrecht vollständig wieder an den Autor zurückfällt und damit "anderweitige" Veröffentlichungen im Netz möglich würden. Die Briefschreiber halten diesen Grundsatz für einen dringend erforderlichen "Rückgewinn ihrer informationellen Selbstbestimmung".

Schließlich sehen die Ausbilder in der Zunahme von technischen Schutzmaßnahmen und Lizenzierungsregelungen über die umstrittenen Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) auch im Wissenschaftsbereich eine ernste Bedrohung für den freien Zugang auf Wissen. Sie beklagen, dass der Gesetzgeber bislang selbst in diesem Bereich keine Anstalten mache, sich von dem bislang geltenden umfassenden rechtlichen Schutz dieser Kopierblockaden "loszusagen". Dies sei umso unverständlicher, als selbst gewichtige Anbieter und Dienstleister aus der Musikindustrie eine "starke Verknappungsstrategie" per DRM inzwischen für kontraproduktiv halten. In der Wissenschaft, so die Forderung, habe Digital Rights Management überhaupt nichts zu suchen.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)