Für Microsoft hat Live-Software oberste Priorität

Microsoft-Chef folgt dem von Analysten beschriebenen Pfad der "Consumeriziation". Deren nächste Stufe wird seines Erachtens von Internetdiensten ausgehen.

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Während sich die Analysten an der Wall Street derzeit vornehmlich Gedanken über die Einhaltung des Erscheinungstermins für Windows Vista machen, hat Konzernchef Steve Ballmer eine andere, strategisch bedeutende Baustelle seines Konzerns im Blick. Vor knapp einem Jahr hatte sein Kompagnon Bill Gates bereits für Microsoft die Ära der Live-Software eingeläutet, nun bekräftige Balmer auf dem jährlichen Gartner-Symposium in Orlando die Strategie seiner Firma: "Wir befinden uns in einem Wandlungsprozess zu einer Software, die live ist." Wie bei einer Website werde ein Klick ausreichen, um sie zu starten.

Kernkomponente des neuen Systems ist die Live-Plattform, die Microsoft momentan aufbaut und die in der Konzernstrategie oberste Priorität genießt. Diese soll als Basis für die nächste Stufe der "Consumerization" dienen, die nach Ballmers Ansicht von Internetdiensten ausgehen werde. Der Microsoft-Chef wird das Stichwort nicht ohne Hintersinn auf dem Symposium der Unternehmensberatung in den Mund genommen haben, schließlich hat Gartner vor einem Jahr die Devise ausgegeben, "Consumerization" sei für die kommenden zehn Jahre der bestimmende Trend der IT-Branche. Darunter verstehen die Analysten, neue Techniken zunächst auf dem Markt für Verbraucher einzuführen, bevor die Industrien von ihnen profitieren. Gartner ist demnach der Überzeugung, Techniken wie Suchmaschinen, Podcasting und Blogging hielten in Unternehmen Einzug, nachdem die Verbraucher sie für sich angenommen haben.

Ballmer leistet immer noch Aufklärungsarbeit, nachdem Investoren im Frühjahr Stirnfalten warfen, als Microsoft zusätzliche Milliardeninvestitionen ankündigte. Allein für die Förderung seines Online-Geschäfts fallen 1,6 Milliarden US-Dollar an, denn schließlich ist der Redmonder Konzern dabei, das größte Werbenetzwerk des Internets aufzubauen. Aber auch für vorsichtige Investoren hatte Ballmer ein Beschwichtigungsbonbon parat. Client-Software werde auch weiterhin wichtig sein und das Rückgrat der Live-Dienste bilden. Nach all den Verzögerungen bei Vista sei das Unternehmen zu der Erkenntnis gelangt, dass Innovation und Integration notwendig seien, aber nicht unbedingt zur selben Zeit. Es hätten zu viele neue Entwicklungen integriert werden müssen.

Microsoft setzte Windows Live Anfang November vorigen Jahres in die Welt. Dort werden Online-Dienste wie Messenger, E-Mail-Dienst und Weblogs zusammengefasst. Die Plattform wurde schrittweise immer mehr erweitert, zum Beispiel durch ein Online-Sicherheitszentrum. Die Dienst Office Live, der im Februar dieses Jahres startete, richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen, denen Microsoft eine günstige und einfach wartbare Homepage sowie Business-Werkzeugen verschaffen will. Hier wie auch bei anderen Diensten leistet sich Microsoft ein Kopf-an-Kopf-Rennen vor allem mit Google.

Zu der Übernahme von YouTube durch den Konkurrenten befragt, sagte Ballmer laut Medienberichten auf dem Symposium, wenn man sich die Inhalte auf YouTube anschaue, handle es sich meistens um Copyright-geschütztes Material. Offenbar hält er das Geschäft für Geldverschwendung. Microsofts früherer Technical Evangelist Robert Scoble meint laut Seattle Post-Intelligencer, seine ehemalige Firma denke, sie könne durch Klonen der Technik ein eigenes Publikum aufbauen, doch das funktioniere nicht. "Sie können nicht die Beatles klonen, bei diesem Spiel geht es nicht allein um Technik", warnte er Ballmer. (anw)