Meldegesetz: Zivilgesellschaft unzufrieden mit Position des Bundesrats

Das Aktionsbündnis "Meine Daten sind keine Ware" hat den Bundesrat aufgefordert, den Schutz der Privatsphäre beim geplanten neuen Melderecht noch stärker zu schärfen als bisher von den Ausschüssen empfohlen.

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Das Aktionsbündnis "Meine Daten sind keine Ware" hat den Bundesrat aufgefordert, die Privatsphäre im geplanten neuen Melderecht noch stärker zu schützen als bisher von den Ausschüssen der Länderkammer empfohlen. Auskünfte über Namen, akademische Grade sowie gegenwärtige Anschriften für Werbung und Adresshandel dürften nur noch herausgegeben werden, wenn die Betroffenen dazu direkt gegenüber den Meldeämtern eingewilligt haben. Der Tenor im Bundesrat ist dagegen, dass ein Opt-in gegenüber Firmen ausreichen soll.

Das Netzwerk aus der Kampagnenseite Campact, dem FoeBud, dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) hat mittlerweile fast 200.000 Unterschriften gegen das vom Bundestag während der Fußball-EM beschlossene Bundesmeldegesetz gesammelt. Diese wollen sie den Länderchefs vor der entscheidenden Plenarsitzung des Bundesrats am Freitag übergeben.

"Die ganz wilden Zeiten, in denen CDs für 380 Euro mit Millionen Daten verscherbelt wurden, sind zwar vorbei", erklärte vzbv-Chef Gerd Billen am Dienstag in Berlin. Viele im Adresshandel kursierende Daten würden aber weiter übers Internet "abgefischt". Eine gute, spendenträchtige Adresse koste nach wie vor fünf bis zehn Euro auf dem Markt. Nach wie vor seien Millionen von Daten im Umlauf, "bei denen Einwilligungen nicht zweckgebunden erhoben wurden". Er kenne aber keine Kommune, die überprüfen könne, ob eine Einwilligung rechtmäßig abgegeben wurde. Wenn Bürger beim Amt Daten für statistische Zwecke abgeben müssen, dürfe die Wirtschaft da "erst mal überhaupt keine Aktien im Spiel" haben.

Sollte der Bundesrat mit Forderungen nach Korrekturen am Bundestagsbeschluss den Vermittlungsausschuss beider Gremien anrufen, steht laut Billen vor allem der FDP ein Lackmustest bevor, "ob es sie wirklich mit dem Datenschutz ernst meint". Aber auch die Bundesregierung, deren ursprünglicher Entwurf strenger war als die vom Bundestag verabschiedete Version, müsse sich dann klar positionieren.

Sönke Hilbrans vom DVD meinte, wenn Politik und Wirtschaft einen Datenschatz heben wollten, müssten sie zuvor zumindest die Eigentümer um Erlaubnis fragen. Es gelte, "die Freiheit und Wirksamkeit der Einwilligung zu verteidigen". Die Herrschaft darüber dürfe nicht an die Wirtschaft "outgesourct" werden. Die Position des Bundesrats sei ein "entschiedener Rückschritt beim Datenschutz", die voraussichtlich auch nicht mit EU-Recht vereinbar wäre.

Gewerbliche Adressmittler wie Regis24 in Berlin dürften nicht die bei den Meldeämtern abgefragten Daten ihrem Pool einverleibten und weiter verwenden, betonte Rena Tanges vom FoeBuD. Sie appellierte an den Gesetzgeber, die Hotelmeldepflicht abzuschaffen und den Zwang für Mieter nicht wieder einzuführen, Ämtern bei Anmeldungen eine Vermieterbescheinigung vorlegen zu müssen. Vor allem den Adressverlagen warf sie vor, allein im Hintergrund große Lobbyingschlachten zu schlagen.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) fand die Vorschläge der Ausschüsse des Bundestags zuvor ebenfalls wenig begeisternd. Die drei vorgeschlagenen Alternativen berücksichtigten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung teils nicht ausreichend, erklärte ULD-Chef Thilo Weichert. Im Sinne der Entschließung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern müsse zumindest sichergestellt sein, dass die Einwilligungen zu Datenübermittlungen für Werbe- und Adresshandelszwecke tatsächlich freiwillig erteilt werden und der Auskunftsempfänger sie nicht anderweitig verwende. Auch müsse das bisher von einigen Firmen praktizierte "Adress-Pooling" verboten werden, bei dem für Dritte abgefragte Adressdaten für eigene Auskunfteizwecke zweckentfremdet würden. Auch sollten Firmen das Vorliegen einer Einwilligung auf Verlangen der Meldebehörden nachweisen müssen. (anw)