Gebrauchtsoftware: Politik der Nadelstiche

Im Dauerstreit um den Handel mit Gebrauchtsoftware muss Microsoft erneut eine Schlappe hinnehmen: Das Landgericht Hamburg hat per einstweiliger Verfügung die weitere Verbreitung von Teilen der FAQ untersagt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 108 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Der Handel mit Gebrauchtsoftware ist ein lukratives Geschäft. Vor allem der Weiterverkauf nicht mehr genutzter OEM-Betriebssysteme aus dem Hause Microsoft verspricht den Händlern gute Gewinne und auch die Kundschaft freut sich über günstige Preise für Windows und Co. Einzig Microsoft gefällt das Treiben nicht. Der Monopolist aus Redmond sieht durch den Weiterverkauf von OEM-Software sein Urheberrecht und sein Markenrecht verletzt.

Die Gebrauchtsoftwarehändler sehen das freilich anders und konnten in der letzten Zeit einige Siege vor Gericht verbuchen. Zumindest aus urheberrechtlicher Sicht scheint der Handel mit gebrauchter OEM-Software nach dem letzten Urteil des europäischen Gerichtshofs (Az. C-128/11) unbedenklich zu sein. Auch ältere Urteile des EuGH stärken die Position der Gebrauchtsoftwarehändler. Inzwischen scheint sich diese Ansicht auch bei deutschen Gerichten immer mehr durchzusetzen: Bereits im August 2012 hatte das Landgericht Hamburg (Az.: 327 O 438/12) der Microsoft Corporation und der Microsoft Deutschland GmbH auf Antrag der FBS Allgäu GmbH im einstweiligen Verfügungsverfahren untersagt, weiterhin zu verbreiten, dass die Lizenz für OEM-Software auf einem gebrauchten Computer nicht auf einen neuen oder anderen Computer übertragen werden darf. Keine unerwartete Entscheidung, denn am 26. April 2012 (Az. 327 O 121/12) untersagte dasselbe Landgericht dem Unternehmen, weiterhin vor dem Kauf, dem Verkauf und der Nutzung von Recovery-Datenträgern und OEM-Versionen im Zusammenhang mit Fälschungen und nicht lizenzierten Produkten zu warnen.

Warnschreiben von Microsoft – dieses mal vor dem Kauf von abgespaltenen Lizenzen aus Volumenlizenzen – veranlassten auch die Preo Software AG, sich gerichtlich mit Microsoft auseinanderzusetzen.

Microsoft und das Impressum (3 Bilder)

Microsoft Österreich zeichnet natürlich für die unter Microsoft.at erreichbare Webseite verantwortlich.

Probleme mit dem Vorgehen von Microsoft gegen vermeintliche "Raubkopierer" (Ermittlungen wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen unerlaubten Vervielfältigung und Verbreitung von Microsoft-Programmen) hatte aber auch das Landgericht Berlin: Es hob in einem Beschluss vom 3. Mai 2012 (Az. 526 Qs 10-11/12) einen anderslautenden Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten (349 Gs 4598/11) auf und erklärte die Art und Weise, wie die NewXL GmbH, der Vorgänger von Softwarebilliger.de, durchsucht wurde, für rechtswidrig.

Nun ist es erneut die FBS Allgäu GmbH, die sich mit Microsoft anlegt. Dieses mal geht es um Aussagen auf der Händler-FAQ-Seite von Microsoft, in der der Software-Hersteller behauptet, dass man nach dem Austausch der Hauptplatine eines Computers gegen ein höherwertiges Modell eine neue Betriebssystem-Lizenz benötigt, wenn auf dem ursprünglichen Rechner eine OEM-Version installiert war. Mit Beschluss vom 13.9.2012 hat das Landgericht Hamburg der Microsoft Corporation nun untersagt, weiterhin zu behaupten:

"Durch einen Austausch der Hauptplatine entsteht ein als neu zu betrachtender Computer. Daher kann die Microsoft OEM-Betriebssystemsoftware nicht von einem anderen Computer auf diesen übertragen werden. Wenn die Hauptplatine nicht aufgrund eines Defekts ausgetauscht wird, entsteht ein neuer Computer. Somit ist eine neue Betriebssystemlizenz erforderlich.

Wenn der Grund für den Austausch ein Defekt ist, müssen Sie keine neue Betriebssystemlizenz für den Computer erwerben. Die neue Hauptplatine muss jedoch der alten in Typ und Modell entsprechen bzw. vom selben Hersteller gemäß dessen Garantiebedingungen als gleichwertiges Ersatzteil angeboten werden.

Die Gründe für diese Lizenzregeln stehen in erster Linie im Zusammenhang mit dem Endbenutzer-Lizenzvertrag und der durch diesen Lizenzvertrag festgelegten Unterstützung der Software. Der Endbenutzer-Lizenzvertrag ist ein Satz von Nutzungsrechten, die dem Endbenutzer vom Computerhersteller gewährt werden. Er bezieht sich ausschließlich auf Rechte bezüglich der Software, wie sie auf dem speziellen Computer installiert ist. Der System-Builder ist verpflichtet, die Software auf diesem speziellen Computer zu unterstützen.

Da Microsoft sich bewusst ist, dass Endbenutzer ihren Computer im Laufe der Zeit mit verschiedenen Komponenten aktualisieren, sieht Microsoft die CPU als die Grundkomponente, die den ursprünglichen Computer als solchen definiert. Da die Hauptplatine die CPU enthält, entsteht bei einem Austausch, der nicht aufgrund eines Defekts erfolgt, grundsätzlich ein neuer Computer. Daher kann vom ursprünglichen OEM nicht erwartet werden, diesen neuen Computer, den er nicht hergestellt hat, zu unterstützen."

Der Beschluss richtet sich allerdings nicht, wie von der FBS Allgäu GmbH beantragt, gegen die Microsoft Corporation und die Microsoft Deutschland GmbH, sondern nur gegen die Redmonder Konzernzentrale. Hintergrund ist eine Änderung im Impressum der deutschen Microsoft-Webseite: Während etwa in Österreich, der Schweiz und nahezu allen weiteren Ländern mit Microsoft-Regionalniederlassung die lokale Microsoft-Vertretung im Impressum steht, verweist das Impressum auf der deutschen Seite nun auf die Konzernzentrale in den USA. Formal ist die Microsoft Deutschland GmbH damit nicht mehr Betreiber der Webseite und kann folglich auch nicht mehr nach deutschem Recht für die dort getätigten Aussagen zur Rechenschaft gezogen werden.

Durch diesen Schachzug erschwert Microsoft juristische Schritte erheblich. So muss die nun ergangene Einstweilige Verfügung nun erst einmal dem US-Konzern in Redmond zugestellt werden, bevor dieser die beanstandeten Äußerungen von der deutschen Webseite entfernen muss. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch zusätzliches Geld. Zudem hat die Impressumsänderung auch direkte Auswirkungen auf die Kostenverteilung für das Verfahren: Wärend das Landgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 22. August 2012 noch alle Verfahrenskosten der Microsoft Deutschland GmbH und der Microsoft Corporation als Gesamtschuldner auferlegte, sieht der neue Beschluss eine gänzlich andere Kostenteilung vor: Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin, also der FBS Allgäu GmbH, muss die Microsoft Corporation nur zur Hälfte erstatten. Die der Microsoft Deutschland GmbH entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten muss die FBS Allgäu GmbH jedoch komplett erstatten. Damit wird dieser "Sieg" gegen Microsoft für das klagende Unternehmen ein durchaus teures Vergnügen.

Einen echten Sieg hat die Gebrauchtsoftware-Branche mit dieser Einstweiligen Verfügung ohnehin noch nicht errungen. Microsoft kann im Hauptsache-Verfahren immer noch versuchen, das Gericht von seiner Sichtweise zu überzeugen. Der jetzt erwirkte Beschluss des Landgerichts Hamburg stellt eben nur einen schnellen, aber eben auch nur einstweiligen Rechtsschutz dar. (gs)