Verstößt Amazon gegen Vorschriften zur Button-Lösung?

Weil Amazon die Button-Lösung angeblich nicht richtig umsetzt, rät der Händlerbund zum Verkaufsstopp auf der Plattform. Juristen halten das jedoch für übertrieben.

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Von
  • Marzena Sicking

Am 1. August 2012 trat das neue Gesetz zum Schutz der Verbraucher gegen Kostenfallen im Internet in Kraft, die dem Handel auch die sogenannte "Button-Lösung" bescherte. In einer Mitteilung vom 28. August warnt der Händlerbund gewerbliche Anbieter davor, ihre Waren weiterhin auf Amazon.de zu verkaufen. Denn das größte Online-Versandhaus habe die nötigen Anpassungen auf seinen Seiten nicht vorgenommen. Darüber hinaus biete Amazon seinen Händlern "nach wie vor keine Möglichkeit, rechtssichere AGB und Widerrufsbelehrungen in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise auf der Plattform einzubinden und in den Vertrag einzubeziehen". Abmahngefährdet sei deshalb "ausnahmslos jeder Händler, der auf der Plattform Waren anbietet."

Zwar sei der Bestellbutton auf Amazon in "Jetzt kaufen" umbenannt worden, doch das reiche bei weitem nicht aus, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis es Abmahnungen und Vertragsstrafen hagelt, so Andreas Arlt, Vorstandsvorsitzender des Händlerbundes. Unter diesen Bedingungen könne man Online-Händlern nur dazu raten, ihren Verkauf über Amazon umgehend einzustellen.

Amazon hat auf Anfragen von verunsicherten Händlern umgehend reagiert und die Vorwürfe in einer Stellungnahme auf seiner Onlineplattform "Marketplace" zurückgewiesen. Darin heißt es, Amazon halte sich selbstverständlich an alle gesetzlichen Vorgaben, die bezüglich der Rechtssicherheit gemachten Behauptungen seien falsch: "Die Bereitstellung einer rechtssicheren Umgebung für alle Verkäufer auf unserer Plattform zählt zu den wichtigsten Aufgaben der für unser Marketplace-Geschäft verantwortlichen Teams. Dazu gehört auch die Umsetzung des Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr ("Kostenfallengesetz"), im Rahmen dessen auch die vorgeschriebene Beschriftung des Bestellbuttons mit "Jetzt kaufen" pünktlich zum 1. August 2012 implementiert wurde. Kunden erhalten auf der finalen Bestellseite auch die für den informierten Kauf notwendigen Angaben, darunter die wesentlichen Eigenschaften der Ware, der Gesamtpreis und etwaige Versandkosten. (…)"

Bei Amazon ist man also der Meinung, alles sei in bester Ordnung. Dennoch dauerte es nicht lange, bis die ersten Händler tatsächlich Abmahnungen erhielten. Und zwar ausgerechnet von einem Händler, der sich wegen der angeblichen Rechtsunsicherheit von Amazon zurückgezogen hatte und nun seinerseits die ehemaligen Wettbewerber mit Abmahnungen ärgert. Darin wird behauptet, der adressierte Händler halte sich nicht an die Vorgaben des § 312g Abs. 2BGB. "Dabei bezieht sich diese Abmahnung ja auf Einstellungen bei Amazon, auf die der Händler gar keinerlei Einfluss hat", erklärt Rechtsanwalt Arndt Joachim Nagel von der IT-Recht Kanzlei in München.

Die Juristen hatten schon Anfang diesen Jahres öffentlich erklärt, dass ein rechtssicherer Verkauf bei Amazon derzeit nicht möglich sei. Wegen eventueller Differenzen in Zusammenhang mit der Button-Lösung von einem Verkauf auf Amazon abzuraten, hält man hier allerdings für übertrieben. Denn in diesem Punkt sei die Rechtslage keinesfalls so eindeutig, wie der aktuelle Abmahner die Händler glauben lassen will.

Zu den Vorwürfen des Abmahners zählt unter anderem, dass die Bestellabschlussseite des Händlers bei Amazon Marketplace nicht den gestalterischen Anforderungen in Zusammenhang mit der Button-Lösung erfüllt. So dürfe die Aufmerksamkeit des Verbrauchers nicht durch trennende Gestaltungselemente vom Vertragsinhalt ablenken. Man dürfe die Seite nicht so gestalten, dass der Verbraucher zu den Informationen scrollen oder gar über einen anderen Link gehen muss. Die Ansicht, dass die Bestellseite von Amazon die Anforderungen nicht erfülle, werde "einheitlich von jeder Instanz" vertreten. Außerdem heißt es in der Abmahnung weiter: "Auf Grund dessen liegt ein Verstoß gegen die Verbraucherschutzvorschriften vor. (…) Indem Sie weiterhin bei Amazon Handel betreiben und daher auch eine verbraucherrechtswidrige Plattform nutzen, handeln Sie wettbewerbswidrig. (…)"

Klingt eindeutig, ist es aber nicht, wie Rechtsanwalt Nagel erklärt. "Es lassen sich durchaus gute Argumente gegen die vom Abmahner vertretene Rechtsauffassung vorbringen." Deshalb gäbe es für Händler auch keinen Grund für einen überstürzten Rückzug von Amazon. "Zunächst einmal sollten Händler wissen, dass die zitierte Ansicht keineswegs von jeder Instanz vertreten wird. Tatsächlich gibt es bisher noch kein einziges Gerichtsurteil zu dieser Problematik. Wenn der Abmahner von "jeder Instanz" spricht, dann ist das schlichtweg dreist", so Nagel.

Außerdem seien auf der Bestellabschlussseite von Amazon durchaus alle für den Verbraucher relevanten Informationen übersichtlich dargestellt. Mit "Jetzt kaufen" sei der Bestell-Button ebenfalls korrekt bezeichnet. Er werde zwar nicht unter, sondern rechts neben den vorgeschriebenen Informationen angezeigt, doch dies in farblich hervorgehobener gut wahrnehmbarer Weise. "Nach unserer derzeitigen Auffassung verstößt diese Darstellung keinesfalls gegen die gesetzlichen Vorgaben", so Rechtsanwalt Nagel.

Denn der Gesetzgeber habe keinesfalls im Detail vorgegeben, wie eine Bestellabschluss-Seite gestaltet werden muss, sondern dem Handel mehrere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Wichtig sei, dass die gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards erfüllt seien. Und das sei bei Amzon in Bezug auf die Button-Lösung durchaus der Fall. Absolute Sicherheit wird es diesbezüglich aber erst geben, wenn die Frage auch vor Gericht verhandelt und beurteilt wurde. "Den Appell, bis auf Weiteres von einem Handel über Amazon Marketplace generell abzusehen, halten wir aufgrund der unklaren Rechtslage in diesem Bereich für überzogen."

Doch auch wenn die Händler gar nichts falsch gemacht haben – abgemahnt werden sie trotzdem. Wie soll sich nun ein Händler verhalten, der einen solchen Brief erhalten hat? Kann er das Problem einfach an Amazon weiterreichen? Schließlich hat er selbst ja gar keine Gestaltungsmöglichkeiten auf der beanstandeten Seite. Dazu Arndt Joachim Nagel: "Betroffene Händler sollten sich zum einen fachkundig anwaltlich beraten lassen und zum anderen Amazon über die erhaltene Abmahnung informieren. Keinesfalls sollte man in solchen Fällen überhastet eine Unterlassungserklärung abgeben, zumal dies dazu führen würde, dass man schon jetzt nicht mehr auf Amazon Marketplace anbieten könnte, obwohl die Rechtslage hier noch völlig ungeklärt ist." (masi)