Skepsis gegenüber Richtervorbehalt für Auskunftsansprüche bei Urheberrechtsverletzungen

Bei der 1. Lesung des Gesetzesentwurfs zur besseren Durchsetzung geistigen Eigentums nahmen Abgeordnete von Schwarz-Rot die von der Regierung vorgesehenen Korsettstangen bei der Rechtsverfolgung unter Beschuss.

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Bei der 1. Lesung des Gesetzesentwurfs zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte am gestrigen Donnerstagabend im Plenum des Bundestags nahmen just Abgeordnete von Schwarz-Rot die von der Regierung eingezogenen Korsettstangen bei der Rechtsverfolgung unter Beschuss. Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis etwa sah es als zweifelhaft an, ob der Text tatsächlich einen besseren Schutz insbesondere des Urheberrechts erreiche. Vertreter der Linksfraktion und der Grünen stärkten der Regierung bei ihrem Bestreben, eine unangemessene Verfolgung auch privater Urheberrechtsverletzer zu verhindern, dagegen den Rücken. Generell bewiesen die Abgeordneten, dass Immaterialgüterrechte am "Tag des geistigen Eigentums" trotz aller anderen Verlautbarungen ein Randthema waren: Sie gaben ihre Reden allein zu Protokoll, verzichteten auf eine Aussprache.

Bei der EU-Richtlinie zur einfacheren zivilrechtlichen Durchsetzung von Immaterialgüterrechten, welche die Regierung mit ihrem Vorstoß umsetzen will, soll es eigentlich hauptsächlich um die Bekämpfung von Produktpiraterie gehen. Schon im Rahmen der Verabschiedung der EU-Vorgaben kritisierten Bürgerrechtler und Verbraucherschützer aber, dass sich das Hauptaugenmerk und das Verfolgungsinstrumentarium des Gesetzeswerks wohl gegen private Nutzer richten dürfte. Diesen Eindruck hat die erste grundsätzliche Debatte im Parlament nach dem Einbringen des Regierungsentwurfs, der in seiner jetzigen Form bereits unter anderem von Providerseite scharf kritisiert wird, nun bestätigt.

Der Regierungsentwurf will hauptsächlich einen Auskunftsanspruch von Rechtehaltern gegenüber unbeteiligten Dritten wie Internet-Zugangsanbietern schaffen. Diese sollen damit Rechtsverletzer einfacher identifizieren und gegen sie leichter in zivilrechtlichen Verfahren vorgehen können. Geis bemängelte an dem von der Regierung vorgeschlagenen Prozedere im Einklang mit Forderungen aus der Medienindustrie, dass aufgrund des vorgesehenen Richtervorbehalts bei Rechtsverletzungen im Internet dem Rechteinhaber "der direkte Weg zum Provider abgeschnitten" sei. Die Zwischenschaltung eines Gerichts sei "sehr umständlich".

Die Argumentation der Bundesregierung, dass im Netz besonders schützenswerte Verkehrsdaten und damit das Fernmeldegeheimnis betroffen sei, bezeichnete der Vertreter der CDU/CSU-Fraktion zudem für "nicht stichhaltig". Der Rechtehalter habe ja bereits die IP-Adresse des mutmaßlichen Verletzers und damit das Verbindungsdatum ermittelt. Nun gehe es ihm um die Herausgabe von Bestandsdaten, also die Zuordnung einer Internetkennung zu Name und Anschrift des Nutzers. "Damit hat die IP-Adresse keine andere Funktion als die Nummer eines gewöhnlichen Telefonanschlusses", meinte Geis. "Um aber einen Telefonanschluss ausfindig zu machen, ist der Richtervorbehalt nicht nötig". Sonst müsste jede Telefonauskunft unter einen Richtervorbehalt gestellt werden.

Geis beklagte weiter, dass der Auskunftsanspruch nur bei Urheberrechtsverletzungen "im geschäftlichen Verkehr" gelten soll und damit "marginalisiert" werde. Die Vielzahl der Rechtsverletzungen gehe nämlich von Nutzern aus, "die nicht gewerbsmäßig illegal geistige Produkte herunterladen". Ein weiteres Problem tauche bei der geplanten teilweisen Deckelung der Rechtsanwaltsgebühren auf 50 Euro auf. Der Schädiger soll ihm zufolge dagegen immer die Rechtsverfolgungskosten tragen, auch wenn er etwa nur eine einzelne Musikdatei illegal in eine Tauschbörse gestellt habe. Geis begrüßte dagegen, dass die Bundesregierung die Stärkung etwa von Urheber-, Patent- oder Markenrechten zum Schwerpunkt des G8-Gipfels im Juni machen will: "In jedem Staat muss das Bewusstsein wachsen, dass das geistige Eigentum gleichermaßen wie das Eigentum an Geldvermögen, Grundvermögen und beweglichen Sachen zu bewerten und zu schützen ist."

Der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Direk Manzewski, führte beim Richtervorbehalt den Abgeordneten vor Augen, dass "wir in diesem Zusammenhang von äußerst sensiblen Daten reden". Er lasse sich aber "gerne in der wohl anstehenden Sachverständigenanhörung vom Gegenteil überzeugen". Eine Kappung der Abmahngebühren hielt der SPD-Politiker für sinnvoll, da es bei festzustellenden Abmahnwellen allein um Geschäftemacherei handle. Leider komme es auch immer häufiger vor, "dass Otto-Normalverbraucher Urheberrechtsverletzungen begeht" und sich damit allzu leicht bei der gedankenlosen Verwendung von urheberrechtlich geschützten Fotos und Karten aus dem Internet mit hohen Abmahnsummen konfrontiert sei. Der gewählte Kostenansatz von 50 Euro schien Manzewski aber als "zu niedrig angesetzt". Zugleich will er den Vorschlag des Bundesrates, bei der Berechnung des Schadensersatzes aufgrund von Rechtsverletzungen "die doppelte Lizenzgebühr als Gewinnvermutung festzulegen", zumindest weiterdiskutieren.

"Produktfälschungen, Raubkopien oder illegale Downloads aus dem Internet sind keine Kavaliersdelikte, sondern eine ernsthafte wirtschaftliche Bedrohung", machte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für die FDP-Fraktion klar. Der Regierung warf sie vor, mit dem Entwurf "ihre eigenen Zielsetzungen aber einmal mehr als bloße Lippenbekenntnisse" zu entlarven. Mit der Einschränkung von Auskunftsansprüchen auf Urheberrechtsverstöße im gewerbsmäßigen Ausmaß wäre der gesamte Bereich der Tauschbörsen ausgenommen. Das Internet dürfe aber "keine Blackbox sein, die durch unangreifbare Anonymität zu einem Paradies für Rechtsverletzer wird". Bei allem Einsatz für den Datenschutz müsse zudem noch geklärt werden, ob der Richtervorbehalt erforderlich sei. Die geplante Begrenzung der Anwaltskosten bezeichnete die Liberale als "Irrweg" und "reinen Populismus".

Wolfgang Neskovic von der Linken lobte, dass Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) einen Ausgleich zwischen allen Interessenseiten gesucht habe. Der Auskunftsanspruch sei "überlegenswert", solange mit der Erfordernis der richterlichen Anordnung zumindest der Versuch unternommen werde, Rechtsstaatlichkeit durch ein formales Verfahren zu sichern. Alles andere könnte "eine Hexenjagd gegen die Verbraucher auslösen" auf Verdacht hin auslösen.

Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, hielt es noch für überprüfungswürdig, ob Drittauskunftsansprüche bereits "ausreichend restriktiv" gestaltet und damit eingeführt werden könnten. Dass private Nutzer außen vorbleiben müssten, mache schon aus die Richtlinie erforderlich. Montag erinnerte auch an die Prüfbitte des Bundesrates zu datenschutzrechtlichen Bedenken besonders im Zusammenhang mit der intendierten Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten. Die Begrenzung der Abmahngebühren begrüßte er genauso wie die Regelungen zum Schadensersatz. Für Zypries warb ihr parlamentarischer Staatssekretär, Alfred Hartenbach (SPD), für den Entwurf insgesamt. Bei der Streitfrage der Anwaltskosten betonte er, dass es sich bei der Deckelung allein um einfach gelagerte Fälle einer unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs handeln solle.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)