Linux-Entwickler diskutieren Aufnahme von Reiser4

Nachdem es um die Aufnahme von Reiser4 in den Linux-Kernel lange vergleichsweise still war, wird das Thema nun wieder ernsthaft diskutiert. Vor dem Sprung in den offiziellen Kernel gibt es jedoch noch einiges für die Dateisystem-Entwickler zu erledigen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis

In den vergangenen Monaten bat praktisch alle paar Wochen ein Reiser4-Fan auf der Linux Kernel Mailinglist (LKML) um die Aufnahme des im August 2004 vorgestellten Reiser4-Dateisystems in den Linux-Kernel; das Flehen stieß aber meist auf wenig Gegenliebe bei den Entwicklern. Nun schaffte es eine nüchterne Mail einmal wieder, eine ernsthaftere Diskussion um die Reiser4-Zukunft zu starten.

Im Rahmen dieser Diskussion wurden die schon länger vorgebrachten Argumente, die gegen die Aufnahme des Dateisystems sprechen, erneut auf den Tisch gelegt. So würden laut Rik van Riel einige der Reiser4-Features vielmehr ins Virtual File System (VFS) gehören. Auch Andrew Morton, der die aktuelle Kernel-Serie zusammen mit Linus Torvalds verwaltet, meldete sich zu Wort. Morton, der sich vor einem Jahr selbst den Code von Reiser4 etwas näher angesehen hat und den Dateisystementwicklern einige Korrekturen ans Herz legte, erhält für das in seinem mm-Kerneln enthaltene Reiser4 weiter Patches. So scheinen wohl zwei Reiser4-Entwickler der hinter dem Dateisystem stehenden Firma Namesys die Weiterentwicklung zu betreiben, nachdem Namesys-Gründer Hans Reiser unter Mordverdacht in Untersuchungshaft genommen wurde und sich mittlerweile der Anklage wegen Mordes stellen muss.

Um die Aufnahme des Dateisystems in den Kernel hätten die Reiser4-Entwickler laut Morton aber nicht gebeten. Auch würde es an erfahrenen Linux-Entwicklern fehlen, die den Reiser4-Code nochmal unter die Lupe nehmen, bevor er integriert werden könne. Solch ein Review durch bekannte, nicht an der Entwicklung des jeweiligen Codes beteiligte Linux-Hacker gehört zu den normalen Schritten vor der Integration in den offiziellen Kernel. Dabei werden praktisch immer Fehler oder Ungereimtheiten gefunden. Bei Reiser4 wurden die Kernel-Entwickler schon vor Jahren jedoch an besonders vielen Stellen fündig – der damals sein Dateisystem verteidigende Hans Reiser war jedoch mit der Kritik nicht immer einverstanden; dadurch kam es immer einmal wieder zu Streitereien, im Rahmen derer Reiser unter anderem einen bekannten Linux-Entwickler so sehr verschreckte, dass derjenige von weiteren Reviews von Reiser4 Abstand nahm. Die Integrationsbemühungen verliefen anschließend mangels Reviewer nur noch schleppend.

Morton lässt in der aktuellen Diskussion durchblicken, dass es noch einiges zu korrigieren gebe, bevor Reiser4 in den Kernel aufgenommen werden könne. Auch müsse man mit den Distributoren reden, und der Code müsse ausführlich getestet werden. Verschiedene Kernel-Entwickler führen als Bedenken auch an, dass ja jemand das Dateisystem auch in Zukunft pflegen müsse – doch eben das scheine nicht sicher zu sein, da bisher kein großer Distributor hinter dem Dateisystem steht und auch die Zukunftsperspektive von Namesys durch den derzeitigen Ausfall von Hans Reiser ungewiss sind. Wie wichtig der Wartungs-Aspekt ist, hat schon ReiserFS gezeigt: nach der Veröffentlichung von Reiser4 hatte Namesys die Pflege des Vorgängers weitgehend eingestellt; anschließend hatten vornehmlich Suse-Entwickler die Betreuung des damals bei Suse-Distributionen standardmäßig verwendeten Dateisystems übernommen. Letztendlich nahm Novell dann jedoch Abstand von ReiserFS und schwenkte auf ext3 als Standard um. (thl)