Medientage: Das Internet stellt die traditionelle Medienordnung auf die Probe

Der bayerische Ministerpräsident meinte beim traditionellen Treffen der Medienbranche, er sei selten so hart attackiert worden wie beim Thema Rundfunkgebühr für internetfähige PCs. Er halte letztlich eine komplette Neuordnung für sinnvoll.

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Von
  • Monika Ermert

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hält es für denkbar, das Moratorium für die Rundfunkgebühr auf internetfähige PCs zu verlängern. Bei der Eröffnung der Münchner Medientage sagte Stoiber, angesichts der "geringen Margen", die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten zunächst erwarten könnten, empfehle sich ein Moratorium und eine Grundsatzdiskussion über die zukünftige Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eine Entscheidung darüber könnte beim morgigen Treffen der Ministerpräsidenten fallen. Schleswig-Holstein hatte den Antrag gestellt, das Moratorium zu verlängern, andere Länder hatten sich laut Stoiber vor allem wegen möglicher Verzögerungen im Abstimmungsprozess zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag in den Länderparlamenten dagegen ausgesprochen; Stoibers niedersächsischer Kollege Wulff plädiert inzwischen ebenfalls für eine Abschaffung der geräteabhängigen Rundfunkgebühr zugunsten einer Haushaltsabgabe.

Stoiber sagte beim traditionellen Treffen der Medienbranche, er sei selten so hart attackiert worden wie beim Thema Rundfunkgebühr für internetfähige PCs. Er halte letztlich eine komplette Neuordnung der Rundfunkgebühren für sinnvoll. "Wir haben jetzt eine große Chance, nach einer neuen Finanzierung für die Öffentlich-Rechlichen zu suchen." Wenn man eine Neuordnung für 2008 ins Auge fassen könnte, die auf eine Haushalts- oder bürgerbezogene Abgabe ziele, befürworte er persönlich ein Moratorium für die Abgabe auf internetfähige PCs. Allerdings stehe dem dualen Rundfunksystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern damit unweigerlich die Diskussion um eine reine Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Haus.

Unterstützt wurde eine solche Grundsatzdiskussion bei der "Elefantenrunde" während der Medientage unter anderem vom Verleger Herbert Burda. "Ich habe noch nie Radio gehört im Internet. Man schaut da doch nicht ARD oder ZDF, sondern man schaut Google oder eBay oder Amazon", meinte Burda, der sich allerdings mit den Radiogewohnheiten der Internet-Generation offensichtlich noch nicht näher beschäftigt hat. Im Übrigen würden Medienkonzerne und Medientycoons mehr und mehr von der Bloggerwelt infrage gestellt. "Diese Gegenöffentlichkeit ist so manifest, dass sie in Frankreich sogar den Europavertrag gekippt hat", meinte Burda. Auch Stoiber nannte das Entstehen von mehr und mehr Nutzerinhalten "die nachhaltigste Herausforderung der Medienlandschaft".

Die Individualisierung der Mediennutzung stelle die Medienordnung auf eine harte Probe. "Der klassische Rundfunk ist nur noch eine Option unter vielen", betonte Stoiber. Das könne man bedauern, aber in erster Linie müsse man auch neue regulatorische Antworten finden. Ein Internetrecht neben dem Rundfunkrecht brauche es dabei nicht, sondern vielmehr ein Medienrecht aus einer Hand. Dabei müssten trotz Anerkennung von Unterschieden die Grundprinzipien der Regulierung übereinstimmen. Bessere Investitionsmöglichkeiten könnten nach Ansicht Stoibers auch durch mehr bundeseinheitliche Entscheidungen der Landesmedienanstalten entstehen. Die Reform der Landesmedienanstalten stehe auf der Agenda der Ministerpräsidenten.

Bei der auf EU-Ebene derzeit diskutierten Fernsehrichtlinie, die sich ebenfalls als Schritt in Richtung konvergente Regulierung versteht, gehen dem bayerischen Ministerpräsidenten die Vorschläge der EU dabei noch nicht weit genug. Er forderte eine komplette Aufgabe der Werbebeschränkungen. Leider mache die Kommission da noch zu viele Detailregeln. Gleichzeitig wandten sich Stoiber und auch der Cheforganisator der Medientage, der Präsident der bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM), Wolf-Dieter Ring, entschieden dagegen, dass die Kommission mehr Kompetenz im Bereich Medienregulierung an sich ziehe. "Ich halte das nicht für akzeptabel", sagte Ring und verwies auf die Überlegungen von EU-Kommissarin Vivianne Reding, digitale Rundfunkfrequenzen künftig europaweit zu versteigern. "Eine Lizenzvergabe unter rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten widerspricht in eklatanter Weise dem Gedanken der Medienvielfalt", betonte Ring. Er warnte auch davor, dass die Kommission die Gebührenentscheidungen europaweit treffen könnte, wenn ARD und ZDF ihren Streit mit der Kommission um ihre Internetauftritte und die Gebührenfinanzierung nicht durch einen Kompromiss beilegen. Das ginge, fürchtet Ring, zu Lasten der mittelständischen Anbieter und sei auch nicht im Interesse der von Redings Ankündigung begeisterten Mobilfunkunternehmen. Diese hätten auch schon einmal 50 Milliarden bei der Versteigerung von UMTS-Lizenzen bezahlt.

Macht nichts, meinte dazu ein Zuhörer in dem bis auf den letzten Platz besetzen großen Saal der Münchner Messe: Die digitalen Frequenzen würden dann einfach von Google ersteigert. Die Herausforderung der klassischen Medien durch Internet und Podcasting blitzte in der Debatte der traditionellen Medien"elefanten" auffallend oft auf. Noch nie, sagte ZDF-Intendant Markus Schächter, seien die privaten Rundfunkanbieter ähnlich verunsichert gewesen angesichts der neuen Herausforderer aus dem Internet wie in diesem Jahr. Zum Auftakt präsentierten die Medientage-Macher denn auch die filmische Zukunftsvision von Google Epic. BLM-Präsident Ring empfahl, diese Vorstellung, wenn man sie so nicht teile, eben als Herausforderung zu verstehen. Zur Elefantenrunde eingeladen hat man Google aber noch nicht. (Monika Ermert) / (jk)