Kommentar: Die Minis kommen – weil das iPad eine zu gute Idee ist

Apple bringt nun genau das Gerät auf den Markt, das Steve Jobs noch verächtlich als Totgeburt bezeichnet hatte. Das liegt am Erfolg der iPad-Idee, den selbst Apple offenbar unterschätzt hat.

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Natürlich kann man sich darüber lustig machen, dass Apple nun genau das Gerät herausbringt, das der verstorbene Unternehmensgründer Steve Jobs noch als Totgeburt bezeichnet hatte. Zudem kommt das iPad mini später als die Konkurrenz von Google und Amazon, hat eine geringere Display-Auflösung und kostet mehr. Apple rennt hier aber nicht der Konkurrenz hinterher, sondern dem eigenen Erfolg: Das iPad war eine so gute Idee, doch hat Apple die daraus erwachsenden Bedürfnisse falsch eingeschätzt.

Die Leute wollen mehr und mobilere iPads. Das Apple-Tablet ist als "personal device" konzipiert – ein Gerät für einen Anwender, nicht für die ganze Familie. Es gibt keine brauchbare Möglichkeit, E-Mail-Konten, Facebook-Zugänge und ähnliches für alle einzurichten. Doch die iPads machen viel zu viel Spaß, alle in der Familie wollen auch damit herumspielen. Also muss man es wieder und wieder den Kindern entreißen, und dann hoffen, dass sie auf dem eigenen Twitter-Account nicht irgendwas gepostet haben.

Eigentlich sollte es für Apple ein Leichtes sein, die nötigen Funktionen in iOS einzubauen, doch offensichtlich will der Konzern viel lieber mehr Geräte verkaufen: eines für jedes Familienmitglied. Damit die Kunden das Zweitgerät nicht bei der Konkurrenz kaufen, musste ein günstigeres Modell her, das anders als der iPod Touch ein vollwertiges Tablet ist.

Microsoft hat das Problem übrigens auf die richtige Weise gelöst, denn die Tablets mit Windows RT sind für den Mehrbenutzerbetrieb ausgelegt. Im 200-Euro-Markt hat Microsoft allerdings auf absehbare Zeit nichts anzubieten, sondern die RT-Tablets treten mit Preisen ab etwa 500 Euro gegen das große iPad an.

Dann ist da noch das Unterwegs-Argument: Offensichtlich wollen die Leute ein möglichst großes Surfgerät immer dabei haben, das zeigen die Android-Verkaufszahlen: Mittlerweile werden ähnlich viel Android-Smartphones mit Displays ab 4,5 Zoll aufwärts gekauft wie iPhones insgesamt, darunter alleine mehrere Millionen Galaxy Notes mit 5-Zoll-Display. Apple hat in diesem Segment nichts anzubieten, also muss das iPad Mini auch diese Lücke schließen – und telefonieren kann man immerhin per Facetime.

Das iPad Mini wird natürlich ein Erfolg werden, weil es diese beiden Nischen besetzt, die Familien und die Unterwegs-Surfer, und weil genügend Käufer den Aufpreis bereitwillig zahlen dürften. Es ist ein gutes Tablet, das genau die gleichen Vorzüge gegenüber der 200-Euro-Konkurrenz hat wie das große iPad gegenüber den 10-Zöllern, vor allem mehr Content. Apple wird hier aber nicht die ganz große Dominanz entfalten können, weil Amazon und Google das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. (jow)