Medientage: Streit übers "gesunde Ökosystem Internet"

In München traf Googles Deutschland-Chef Stefan Twerasa auf Kritik an seinem Unternehmen, das das "Netz vollstopfe", ohne sich an den Kosten beteiligen zu wollen.

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Von
  • Monika Ermert

Eine Menge Bashing musste Googles Deutschland-Chef Stefan Twerasa zur Eröffnung der Münchner Medientage über sich ergehen lassen. Wer kontrolliere, ob Rangplätze beim Suchmaschinenranking nicht doch gekauft würden, wollte die ARD-Vorsitzende Monika Piel wissen. Der klassische Rundfunk werde im Gegensatz zum Internetdienstleister sehr streng beaufsichtigt. Conrad Albert Conrad Albert, Vorstandsmitglied von ProSiebenSat1, meinte, Google müsse anerkennen, dass er als Meinungsmacher verantwortlich und dass deshalb Medienregulierung erforderlich sei. Telekom-Chef Rene Obermann beklagte, Google agiere nach dem Motto: "Ihr investiert in die Netze, und wir machen den Gewinn."

Obermann wiederholte damit die Forderung seines Unternehmens, Inhalteanbieter dürften nicht frei Haus die breitbandigen Netze nutzen. Derzeit pumpe Google das Internet mit einer "unvorstellbaren Menge" an Daten voll, sei aber nicht bereit, sich an den Kosten zu beteiligen. Die Debatte über die Netzneutralität ist offenbar neu entbrannt, nachdem die Vorschläge für ein Sender-Party-Pays-Regime beim Dachverband der europäischen Regulierer (CEPT) gescheitert sind. Die Telekom und ihre Kollegen im Verband der europäischen Netz- und Telekommunikationsanbieter (ETNO) hatten die CEPT aufgefordert, ihre Vorschläge in den künftigen Internationalen Telekommunikationsvertrag (ITR) bei der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) einzubringen.

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sieht In der EU und bei der zuständigen Kommissarin Neelie Kroes ein Umdenken, was die Refinanzierung schneller Netze und das gesunde und nachhaltige "Ökosystem" des Internet anbelangt. Er forderte, Vorschläge für einen runden Tisch der Beteiligten nun auch in Brüssel voranzubringen. Die Netzbetreiber müssten "bestimmte Dienste höher priorisieren" dürfen, natürlich "diskriminierungsfrei" und "für alle gleich".

Twerasa erklärte, das Internet funktioniere anders als das klassische Broadcasting- und Medienmodell. Kontrolliert werde Google von seinen Nutzern. Deutschland – sonst in vielen Bereichen Innovationsweltmeister – sei beim Netzausbau langsam. Manche Unternehmen seien erst einmal zehn Jahre lang davon ausgegangen, das Internet werde wieder verschwinden. Es fehle hierzulande nach wie vor an Risikokapital für Unternehmen, auch seien die Nutzer zögerlicher, wenn es darum gehe, neue Angebote wie etwa Smartphones zu verwenden. In seinem Abschlussplädoyer warnte Twerasa davor, mit dem neuen Leistungsschutzrecht eine weitere rechtliche Hürde zu schaffen. "Das neue Leistungsschutzrecht ist innovationsfeindlich und wird nur Verlierer produzieren."

Dass die aktuellen urheberrechtlichen Schranken nicht selten für weniger statt mehr Zugang sorgen, demonstrierte der Bayerische Rundfunk während seiner Übertragung des Mediengipfels: Im Internet fiel die für das dritte Programm geplante Ausstrahlung der traditionellen "Elefantenrunde" der Medientage aus – "aufgrund rechtlicher Bestimmungen". (anw)