Streit über die Folgen der Energiewende

Gefährdet die Energiewende den Standort Deutschland? Über diese Frage führen die beiden Energieexperten Fritz Vahrenholt und Eicke Weber eine hitzige Debatte.

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Die Energiewende sei eine "Geisterfahrt" auf Kosten der Wirtschaft, sagt der Energieexperte Fritz Vahrenholt in einem Streitgespräch mit Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Weber hingegen hält die Energiewende für dringend geboten, weil die Menschheit durch ihren Ausstoß an Treibhausgasen "ein wahnsinniges Experiment mit der Erde" mache. Die hitzig geführte Debatte zwischen Vahrenholt und Weber erscheint in der aktuellen Ausgabe 12/2012 der Technology Review (seit Donnerstag am Kiosk oder direkt im Heise Shop zu bestellen).

Vahrenholt war 1991 bis 1997 Umweltsenator in Hamburg, danach wechselte er in den Vorstand der Deutschen Shell. Anschließend war er Chef des Windkraftanlagenbauers REpower Systems sowie der RWE-Tochter RWE Innogy. Wenn die Stromkosten weiter steigen, die Versorgungssicherheit sinke und die vorhergesagte Erderwärmung nicht eintrete, werden die Leute die Erneuerbaren "zum Teufel wünschen", sagt Vahrenholt im Streitgespräch.

Weber kontert: "Diese berühmte Belastung der Stromkunden – da geht mir der Hut hoch." Die Strompreise für Haushalte seien in den vergangenen zehn Jahren jährlich um vier Prozent gestiegen, und
bis ungefähr 2006 sei darin kaum eine EEG-Umlage enthalten gewesen. "Dieses ganze Geschrei, durch das EEG vertreiben wir die energieintensive Energie, ist zu hundert Prozent falsch", so Weber. "Es ist eine Irreführung der Bevölkerung."

"Wir müssen aber die gesamte Industrie sehen", argumentiert Vahrenholt. "Die Champions, die wir haben, sind die Maschinenbauunternehmen, die Elektro- und Fahrzeugindustrie. Die haben einen Stromkostenanteil von fünf bis zehn Prozent. Die können einen Aufschlag von fünf Eurocent nicht so einfach wegstecken."

Ein weiterer Streitpunkt: Da die Erneuerbaren immer massiver ins Netz einspeisen, senken sie den Börsenpreis für Strom. Weber hält das für begrüßenswert, da sowohl Industrie und Verbraucher davon profitierten. Vahrenholt fürchtet, dadurch könnten Gas-, Kohle- und Pumpspeicherkraftwerke aus dem Markt gedrängt werden, die für die Stabilität des Stromnetzes dringend erforderlich seien.

Ein Ausweg wäre der sogenannten Kapazitätsmarkt: Gaskraftwerke werden dafür bezuschusst, dass sie Leistung bereithalten, ob diese nun abgerufen wird oder nicht. Während Vahrenholt dies für eine wahrscheinliche, aber nicht wünschenswerte Lösung der Politik hält, könnte sich Weber mit einem Kapazitätsmarkt anfreunden.

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(grh)