Wenig Wirbel um Wahlcomputer

Zur US-Präsidentenwahl werden erneut in großem Stil Wahlcomputer eingesetzt. Kritiker befürchten zwar, dass damit die Demokratie delegitimiert wird. Insgesamt erzeugt das Thema in den USA allerdings wenig Aufmerksamkeit, berichtet Technology Review.

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Zur US-Präsidentenwahl am 6. November werden erneut in großem Stil Wahlcomputer eingesetzt. Kritiker befürchten zwar, dass die Technologie die Demokratie delegitimiert. Insgesamt erzeugt das Thema in den USA allerdings wenig Aufmerksamkeit, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (seit kurzem am Kiosk oder direkt im heise Shop erhältlich).

Vergangene Woche hatten zwar Medienberichte über Wahlmaschinen der Firma Hart Intercivic für Furore gesorgt. Hart Intercivic steht unter dem Einfluss des republikanischen Kandidaten um das Amt des US-Präsidenten, Mitt Romney, seiner Familie sowie wichtiger Unterstützer und Finanziers seiner Kampagne. Eine Initiative aus Ohio, wo die Maschinen in und um Cincinnati eingesetzt werden sollen, verlangt nun eine Untersuchung.

Dass sich die US-Bürger im allgemeinen trotzdem recht wenig Sorgen um die mögliche Manipulation der Wahl machen, hängt jedoch nicht nur mit der angespannten wirtschaftlichen Lage zusammen, meint der Informatiker Douglas W. Jones, der im Sommer ein Buch zur Geschichte der Wahlmaschinen in den USA verfasst hat. „Es gibt auch sehr viele Verschwörungstheoretiker an den Rändern des politischen Spektrum“, sagt Jones. „Die predigen, dass Wahlen sowieso nichts verändern weil es eine geheime Verschwörung gibt, mit der alles kontrolliert wird. Das diskreditiert diejenigen, die eine legitime Kritik am Wahlsystem vorbringen“.

US-Präsident Obama beim vorzeitigen Wählen in seiner Heimatstadt Chicago

(Bild: barackobama.com)

Im Zentrum dieser legitimen Kritik stehen papierlose Wahlsysteme – Direct Recording Equipment (DRE) genannt. Sie sind meist mit einem berührungsempfindlichen Bildschirm ausgestattet und speichern die Stimmen rein elektronisch. Dass sich diese Maschinen hacken lassen, haben IT-Sicherheitsexperten in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt. Zuletzt das Vulnerability Assessment Team, eine auf das Aufspüren von IT-Sicherheitslücken spezialisierte Arbeitsgruppe an der Großforschungseinrichtung Argonne National Laboratory. Sie nahm sich im Herbst 2011 einen der am häufigsten verwendeten papierlosen Wahlcomputer vor: den „AccuVote TS“.

„Wir mussten nicht einmal die Software verändern“, erklärt Roger G. Johnston vom Argonne National Laboratory. Stattdessen schmuggelten er und seine Kollegen ein kleines Stück „Alien-Hardware“ in den Wahlcomputer: Sie öffneten das Gehäuse und steckten eine selbstgebaute Platine an das vom Touchscreen abgehende Kabel, das zum Motherboard des Wahlcomputers führt. Einschalten ließ sie sich mit einer handelsüblichen Fernbedienung, wie sie beispielsweise zum Öffnen von Garagentoren verwendet wird. Einmal aktiviert, vertauschte die Platine einfach die Stimmen zweier Kandidaten: Wer für die Demokraten stimmen wollte, gab dann, ohne es zu merken, seine Stimme für die Republikaner ab. Wieder abgeschaltet, war das verräterische Stück Hardware nicht zu bemerken.

Ein Teil der DRE-Wahlmaschinen gibt daher mittlerweile über einen speziellen Drucker nach der Stimmabgabe auch eine Art Quittung aus, den „Voter Verifiable Paper Audit Trail“ (VVPAT). Anders als den Kassenzettel im Supermarkt kann der Wähler diese Quittung in der Regel zwar nicht mit nach Hause nehmen, sondern nur einen Blick darauf werfen, bevor sie sicher verwahrt wird. Die „Spur aus Papier“ lässt sich aber für Stichproben oder eine nachträgliche Neuauszählung heranziehen.

Im August 2012 veröffentlichte das Bündnis „Counting Votes 2012“, ein Zusammenschluss von Verified Voting, der „Constitutional Litigation Clinic“ der Rutgers University und der Stiftung „Common Cause Education Fund“, einen über 300 Seiten starken Untersuchungsberich t. Darin listen sie unter anderem auf, ob papierlose oder papiergebundene Wahlsysteme verwendet werden, ob es stichprobenartige Untersuchungen der Wahlergebnisse gibt und ob es Notfallpläne für den Fall gibt, dass die Wahlcomputer versagen.

In 16 US-Bundesstaaten, so der Bericht, erfordern die Wahlgesetze nicht zwingend Stimmzettel aus Papier. Von diesen 16 Staaten verwenden immerhin sechs (Delaware, Georgia, Louisiana, Maryland, New Jersey und South Carolina) flächendeckend papierlose Systeme. Bundesweit 25 Prozent aller registrierten Wähler werden am 6. November an papierlosen Wahlmaschinen abstimmen, schätzt Verified Voting.

(wst)