MacBook Air bald mit ARM statt Core i?

Angeblich plant Apple, sich künftig von Intel-Prozessoren unabhängig zu machen - was steckt dahinter?

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Das in Fachkreisen schon lange kursierende Gerücht ist wieder einmal aufgetaucht, dass Apple auch in künftigen MacBooks oder iMacs eigene Prozessoren mit ARM-Mikroarchitektur einsetzen wolle, also anstelle der darin jetzt verwendeten Intel-Prozessoren wie dem Core i5. Intels Aktienkurs gab daraufhin nach, obwohl Apple im letzten Geschäftsjahr (PDF-Datei) nur 18,2 Millionen MacBooks, iMacs und Mac Pros verkauft hat – das macht im schwächelnden Markt der klassischen Notebooks und Desktop-PCs, der 2011 weltweit 352 Millionen Geräte umfasste, nur etwa 5 Prozent aus. Doch das Signal ist für Intel gefährlich: Die bekannteste IT-Marke der Welt kann möglicherweise auf die Dienste des Halbleiter-Marktführers verzichten.

Man kann sich aber fragen, weshalb Apple überhaupt die Anstrengungen unternimmt, sich von den x86- beziehungsweise x64-Prozessoren zu emanzipieren. Im letzten Geschäftsjahr machten Desktop-Macs mit 6,04 Milliarden US-Dollar und MacBooks mit 17,181 Milliarden US-Dollar zusammen nur rund 15 Prozent des gewaltigen Apple-Umsatzes von 156,5 Milliarden US-Dollar aus. Schon das iPad alleine brachte mit rund 32 Milliarden US-Dollar fast 50 Prozent mehr Umsatz, ganz zu schweigen vom iPhone (80,5 Milliarden). Das Geschäft mit Desktop-Macs schrumpft sogar, doch Mobil-Macs wie das sehr beliebte MacBook Air und das teure MacBook Pro mit Retina-Display verkaufen sich gut.

Für den schrumpfenden Desktop-PC-Markt mit bloß noch 4 Prozent Anteil am eigenen Umsatz wird Apple kaum einen neuen CPU-Antrieb suchen; spannend wird es aber bei ultraleichten Notebooks wie dem MacBook Air. Diesbezüglich dürfte die Stimmung zwischen Apple und dem Zulieferer Intel ohnehin getrübt sein, weil Intels Ultrabook-Konzept unverhohlen die attraktivsten Attribute des MacBook Air in die Windows-Welt kopiert. Außerdem versucht Microsoft gerade mit Windows 8, aus dem Konzept von Tablet-Notebook-Hybriden Profit zu schlagen: Also mit Geräten, die sich außer zum vorwiegenden Medienkonsum (wie Tablets) zumindest auch mit Abstrichen zum Arbeiten eignen, nämlich dank angeflanschter Tastatur. Schaut man genau hin, erkennt man hier die zweite schwere Schlappe für Intel: Microsofts eigenes Surface-Tablet mit Windows RT verzichtet auf x86-Technik und setzt – genau wie das iPad – auf ARM. Auch Google hat jetzt ein Mini-Notebook mit ARM-SoC im Angebot.

Intel kontert das zwar mit dem Atom Z2760, der dank SoC-Bauform und S0ix-Betriebsmodus ähnlich sparsam arbeitet wie ein ARM-SoC, aber außer x86-Kompatibilität keine nennenswerten Vorteile liefert. Schlimmer noch für Intel: Eine neue Generation von ARM-SoCs mit Cortex-A15-Kernen könnte den aktuellen Atom sogar überholen, wenn auch um den Preis höherer Leistungsaufnahme unter Volllast. Allerdings ist ungewiss, ob Intel mit den Ende 2013 erwarteten Silvermont-Atoms den Spieß nicht wieder umdreht, also den Cortex-A15 in die Schranken weist; doch auch beim Grafikprozessor, der GPU, haben Intels Atoms gewaltigen Nachholbedarf.

Doch zurück zur Apple-Perspektive: Hier geht es nicht um den Atom. Im MacBook Air – sicherlich der wahrscheinlichste Kandidat für den x86-Ausstieg – steckt ein Ultrabook-Chip von Intel, der mindestens um den Faktor 4 bis 6 schneller rechnet als ein Atom oder auch Apples bisher schnellster ARM-Eigenbau, der A6X im iPad 4. Von heute auf morgen kann Apple also nicht umsteigen, es muss erst eine neue Ax-Generation entwickelt und gefertigt werden – wohl auch mit 64-Bit-Unterstützung, weil sonst nicht einmal die 4 GByte RAM der Minimalkonfiguration voll nutzbar wären. Viel schwerer wiegt freilich die Umstellung der Software, denn unter dem ARM-Betriebssystem iOS laufen bloß Apps, keine 32- oder 64-Bit-Programme für Mac OS X. Selbstverständlich darf man Apple zutrauen, diesen Umstieg durch Compiler oder einen Emulator zu erleichtern, doch der Aufwand wäre erheblich. Apple hat aber auch die Option, auf OS-X-Kompatibilität zu verzichten und als Versuchsballon einen iOS-Wolpertinger aus iPad und MacBook Air zu starten: Mit passenden Apps, die Tastatur und Touchpad einbinden, wäre das möglicherweise für viele Käufer attraktiv, die gar kein vollwertiges Mac OS brauchen.

Ein solches neues iBook könnte Apple deutlich billiger fertigen als das MacBook Air: Weniger aufwendige Kühlung, kleinerer Akku und vor allem viel niedrigere CPU-Kosten. Für High-End-Ausführungen von ARM-SoCs sind zwar keine Preise öffentlich bekannt, man schätzt aber, dass jene je nach Stückzahl zwischen 15 und 30 US-Dollar liegen. Dafür bekommt man bei Intel offiziell gerade mal den Chipsatz, wobei Apple sicherlich einen Logenplatz auf der Intel-Rabattstaffel besetzt. Hinzu kommt aber noch der Average Sales Price (ASP) in der Größenordnung von etwa 100 US-Dollar, den Intel pro CPU im Produktmix erzielt. Genau dieser Betrag ist es, der den Einsatz eines eigenen ARM-SoCs für Apple attraktiv macht.

Es mag aber auch sein, dass Apples Technik-Chef Bob Mansfield tatsächlich die Aufgabe hat, einen extrem leistungsfähigen ARM-SoC als Ersatz für Intel-Mobilprozessoren zu entwickeln – einen Chip, der auch ein MacBook Pro antreiben könnte. Dazu wäre allerdings eine enorme Performance-Steigerung der ARM-Mikroarchitektur nötig, noch um ein Mehrfaches dessen, was der Cortex-A15 mit 1,7 GHz schafft, der gerade einmal einen Atom schlägt. In einem dickeren Gerät als einen Tablet, also mit stärkerer Kühlung und größerem Akku, könnte ein ARM-SoC mit höherer Taktfrequenz oder mehr CPU-Kernen sicherlich grob geschätzt das Doppelte leisten. Doch von der enormen Single-Thread-Performance oder den Gleitkomma-Künsten, die Intels AVX- und ab 2013 sogar AVX2-Einheiten im Verbund mit riesigen Shared Caches und ausgefeilten Speicher-Controllern beherrschen, sind aktuelle ARM-Designs sehr weit entfernt. Folglich bräuchte Apple wohl noch einige Jahre, um ein ARM-SoC zu entwickeln, welches aktuelle Mac-OS-X-Programme genauso schnell wie ein heutiger Core i5 verarbeitet. Schon 2013 will Intel aber mit einer SoC-Version des Haswell den 10-Watt-Bereich entern und dank S0ix auch die Leistungsaufnahme in Leerlauf um den Faktor 20 senken.

Den GPU-Teil könnte Apple freilich zukaufen: Bekanntlich vergeben AMD und Nvidia ja auch für Spielkonsolen-Prozessoren von Microsoft und Sony Lizenzen für ihre Grafikkerne. Die PowerVR-Grafik in den aktuellen A6- und A6X-Inkarnationen ist vor allem für OpenGL ES 2.0 ausgelegt – ob sie auch für die Anforderungen von OS-X-Programmen reicht, die OpenGL 3.2 und Quartz Extreme verlangen, lässt sich kaum abschätzen.

Es ist aber fraglich, ob Apple über genügend Entwicklerkapazität verfügt, um viel schneller als ARM selbst eine dermaßen leistungsfähige ARM-Mikroarchitektur aus dem Boden zu stampfen. Zwar hat sich Apple für rund 400 Millionen US-Dollar die Teams und Patent-Portfolios von P.A. Semi und Intrinsity einverleibt, die vermutlich hinter dem beeindruckenden A6 und dem A6X stehen. Deren Performance überzeugt vor allem auch im Vergleich zu Qualcomms Krait im Snapdragon S4, also einem anderen "aufgebohrten" Cortex-A9. Doch der Blick auf die ersten Ergebnisse des Cortex-A15 zeigt, dass diese ARM-Generation einerseits mehr leistet als Apples A6/A6X, aber andererseits auch mehr Strom schluckt und trotzdem weit entfernt ist von Intels Core i. Mit der Entwicklung eines Core-i-Konkurrenten müsste Apples CPU-Team also wohl zumindest übergangsweise eine zweite Linie auflegen: Aus heutiger Sicht ist es unwahrscheinlich, dass eine einzige Mikroarchitektur sowohl sparsam genug für ein Smartphone ist als auch genügend Leistung für Notebooks liefert – diesen Spagat hat bisher kein CPU-Hersteller geschafft. Das wiederum lässt es als wenig wahrscheinlich erscheinen, dass Apple enorme Anstrengungen unternimmt, um eine eigene CPU-Architektur für einen Gerätetyp zu entwickeln, der zurzeit gerade einmal 11 Prozent Umsatzanteil ausmacht – mit schrumpfender Tendenz, weil iPad und iPhone viel schneller zulegen als die klassischen Notebook-Bauformen. Allerdings dürfte Apple ständig auf der Suche nach zusätzlichen Märkten für die eigenen ARM-SoCs sein -- und folglich beispielsweise an Geräten tüfteln, die ARM-SoC und Tastatur vereinen. (ciw)